There is a light that never goes out (The Smiths)

Ich hatte ja noch bevor ich wieder regelmäßiger gebloggt habe einmal sehr viel Dampf abgelassen, da ich fand, dass die Digitalisierung in deutschen Schulen unverhältnismäßig wenig gewollt ist (inzwischen kann man es nicht mehr anders erklären: NIEMAND kann so unfähig sein, dass es nach über einem halben Jahr immer noch nicht weiter gediehen ist als „wenn ihr in Quarantäne müsst, schicken wir euch die Hausaufgaben zu“, und ja, Sie kennen den Text, es gibt Tolle unter Ihnen etc., aber an der einen Schule, die ich von innen kenne, ist es halt so. Wenn man sich übrigens ein Bein gebrochen hat und deshalb nicht in die Schule kommen kann, darf man an Onas Schule explizit am digitalen Lernen nicht teilnehmen. Egal, aus welchem Grund man verhindert ist: Das Arbeitsblatt kriegt man nur dann geschickt, wenn es offizielle Corona-Quarantäne ist. Diesbezüglich gibt es etwa zweitäglich eine Mail, um das noch mal klar zu kommunizieren. Kein digitales Lernen ohne das Gesundheitsamt. Denn: Eigentlich möchte man das ja generell nicht, wenn man sich das Bein bricht, gibt es halt keine Schule. War früher ja auch so, was soll die Diskussion. Aus uns ist ja auch was geworden, wie man an all den begnadeten Projektmanagern in deutschen Schulen und Kultusministerien sieht. Ein Traum.

Aber ich schweife ab. Ich habe die folgende blöde Befürchtung: Die Maßnahmen werden original nix tun. Naja, vielleicht ein wenig, aber nichts, was bis Weihnachten trägt. Vom großen Familienweihnachten ersten Grades habe ich mich sowieso schon verabschiedet, jedes Jahr sitzen wir zu elft in meinem Wohnzimmer, das sehe ich nicht, ist mir aber auch recht, es geht um Oma, dann ist das halt so. Aber: Es geht mir nicht weit genug, und da spreche ich als selbständige Unternehmerin. Also nicht die Zielgruppe, die dem Lockdown hinterherhechelt. Aber die zweiwöchigen Herbst-Schulferien noch schnell für die Fernreise zu nutzen um dann direkt im Anschluss zu sagen „und jetzt machen wir mal die Kneipen zu, aber die fast 9 Millionen Schüler:innen lassen wir morgens mit der U-Bahn in die Schule fahren, und dann sitzen sie halt mit 30 Kindern in einer Klasse, es gibt ja ein Lüftungskonzept“ finde ich verrückt. Das Föderalismusargument, dass die Herbstferien ja unterschiedlich verteilt sind, finde ich… oh entschuldigen Sie, ich war kurz eingeschlafen. Da wir in den mathematischen Modellen ja erklärt bekommen, dass wir einfach kurz 75% unserer Kontaktsituationen einsparen müssen, finde ich das total folgerichtig, jeden Morgen 9 Millionen Menschen in U-Bahnen und dann zu dreißigst in Klassenräume zu stecken. Warum nicht. Aber auch hier kommt man mit meinem Lieblingshandwerkszeug, der Grundschulmathematik, ja sehr schnell an den Punkt, wo man anzweifelt, ob das jetzt so funktioniert. In unserem Fall sieht es übrigens so aus, dass permanent Lehrer in Quarantäne sind und deshalb in allererster Linie Vertretungsunterricht stattfindet. Mit „wir gucken einen Film“. Gegenvorschlag. Warum denkt sich denn die für mich zuständige Schulministerin Gebauer nicht einfach eine Liste von sechstklässlertauglichen Filmen aus und schickt die als offenes Word Dokument im Emailanhang, und dann lassen wir die Kinder zuhause (die Älteren! Ja, klar, ich hab gut reden, mein Kind beschäftigt sich allein und ich kann arbeiten, aber das ist ja immerhin mindestens die Hälfte der deutschen Schulkinder, die älter sind als 10) und zeigen ihnen einfach im Kinderzimmer auf irgendeinem Endgerät die Filme, die sie sonst in der Schule gucken, weil der Sportlehrer Vertretung macht, da der Lateinlehrer in Quarantäne ist. Das wär doch mal eine Idee. Und wer das zuhause nicht hinkriegt, kann das ja anders handhaben. Dann sind halt ein paar Kinder in der Schule. Meins ist zuhause. Und die meisten anderen in meinem privaten Umfeld auch. Beschulen kann ich den nicht. Einen Sitzplatz anbieten allerdings problemlos.

So wird es allerdings eventuell ganz einfach so sein: Wir fahren jetzt weitere vier Wochen kleine und große Unternehmen vor die Wand, um dann am Ende festzustellen, dass wir leider doch eher zu wenig erreicht haben. Mathematisch halte ich das für ein wahrscheinliches Szenario. Und dann – das kann ich schon mal vorsichtig ankündigen – bin ich wirklich sauer, und wenn ich wirklich sauer bin, kann ich sehr unangenehm werden.

Das alles macht mich wirklich verrückt. Das und Herbst. Und Trump. Und die Situation. Und die Tatsache, dass ich mal raus musste und wollte und jetzt nicht kann, weil man nicht mehr beherbergt wird. Mit meinem Fluchtnaturell, vom Kompagnon einst so treffend beschrieben als halb Frau, halb Pferd, ist vermutlich das Schlimmste, was mir passieren kann, dass ich irgendwo nicht wegkann. Und sei es zuhause.

Auch mein Umfeld wird verrückt, ganz normale, schlaue Menschen, eskalieren, gar nicht zwingend mir gegenüber, sondern einfach grundsätzlich. Die, die schon vorher irre aber liebenswert waren, sind halt noch immer verrückt. Frau N. ist allerdings auch ein wenig angestrengter als sonst. Ja. Es ist anstrengend. Ich bin anstrengend. Leben ist anstrengend. Ich war nie ernsthaft gefährdet, aber sollte ich das Themengebiet Depression für mich noch erschließen wollen: Jetzt ist der Moment. Der Schritt ist ein kleiner.

Immerhin bin ich heute nicht in einem Frontalzusammenstoß gestorben, und Ona auch nicht. Das verdanke ich meinem schlauen Auto, das ja einfach ganz alleine vollbremst, wenn es sich nicht sicher ist, ob ich die Situation noch im Griff habe. Ich war abgelenkt weil Ona fuchtelte auf dem Beifahrersitz und ich sah nicht, dass mir jemand fälschlicherweise entgegenkommt, und dann kam die automatische Vollbremsung, gefolgt von Schreck, gefolgt von richtigem Ausweichmanöver, gefolgt von Nichtstraßenverkehrstod.

Es ist nicht alles schlecht.
There is a light that never goes out (The Smiths)

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