Neben dringend benötigter Erholung, Spaß, Ablenkung und dem tiefen Wunsch nach mehr Kultur führt mich ja vor allem Effizienz nach Florenz. Sie können mir jetzt natürlich was erzählen von den Uffizien und so, ich muss in erster Linie jeden Tag in eine alte Apotheke. Wie ja hinlänglich bekannt ist, benutze ich ein Parfum, das schwer erhältlich ist, weil es in einer Apotheke in Florenz, die seit 1221 Dinge zusammenwischt, verkauft wird, und nun gibt es dieses Parfum in einer einzigen winzigkleinen Parfümerie in Düsseldorf, dort kostet es deutlich mehr als in Florenz selber, und außerdem gibt es noch viele andere Düfte, die man aber nicht ausprobieren kann, da es sie in der Düsseldorfer Parfümerie nicht gibt, und aus Italien schicken lassen ist keine Option, ich bin ja wählerisch und wie in manch anderem Gebiet meines Lebens ist die Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende das Richtige ist, meist 0. Das Parfum, das ich normalerweise trage, würde für mich uneingeschränkt passen, aber ich fürchte, die Welt ist nicht bereit. Es heißt einfach nur Patchouli, und es ist so sehr Teil von mir geworden, wie etwas nur Teil von mir werden kann. Allerdings gehört es zu den Düften, die man aufträgt, und dann betritt man einen Raum, und dann wissen alle, dass man da ist. Nichts bildet mich mehr ab als Patchouli, aber neulich, ich schrieb darüber, war ich im Hundefutterladen und die Besitzerin wollte die Polizei rufen, da sie dachte, draußen würden Drogen geraucht. Nach der Bitte, mal kurz an mir zu riechen, rief sie nicht die Polizei und ich wusste, dass die Dame nie Drogen geraucht hatte. Wenn ich allein auf der Welt wäre, würde ich (wie auch jetzt) jeden Tag nach Patchouli riechen. Ich habe ein zweites, romantiktauglicheres Parfum, das ähnlich schwer zu bekommen ist und auch eine wirklich schöne Geschichte hat (weltberühmte Parfumeure wurden gefragt, das Parfum ihres Lebens zu kreieren, ohne irgendwelche Auflagen wie Marge und Produktionskosten, und eines davon hat mich sofort umgehauen, es ist aber noch schwerer als das Florentinische, und deshalb wird das nur für sehr wichtige Momente rausgeholt. Patchouli und Rose übrigens, ich bleibe mir treu.) Aber ich hätte gerne etwas Nettes, Unkompliziertes, Unauffälliges.
Ich habe ein anderes Verhältnis zu Duft als die meisten Leute, die ich kenne. Ich weiß den Eigengeruch von Mitmenschen in nur sehr wenigen ausgewählten Fällen zu schätzen, und an mir selber nehme ich Parfüm nicht als Add-On wahr, sondern als Teil des Ganzen. 4711 ist Add-on, im Sommer, wenn es warm ist. Parfum ist ein Körperteil. Das führt zwangsläufig dazu, dass ich nicht in ein Kaufhaus laufen kann und irgendeinen niederwertigen Duft von irgendeinem Modelabel kaufen möchte, denn erstens finde ich mich in den wenigsten davon wieder, und zweitens, und ja, das ist bekloppt, möchte ich nicht auf der Party in der ?wir riechen nach Boss? Ecke stehen.
Also fuhr ich nach Florenz, mit dem Plan, das zur Neige gehende Patchouli zu ersetzen und eventuell ein zweites, leichteres zu erriechen, das mich abbildet und mit dem ich in den Hundefutterladen gehen kann. Dazu hatte ich im Vorfeld eine Liste von nach Duftnoten in Betracht kommenden Düften aus der alten Apotheke gemacht, und dazu einen konkreten Plan, wie ich die abarbeiten wollte. Ich ging also heute Mittag in die Apotheke, suchte mir eine etwas ältere Verkäuferin und erklärte den Plan. Heute kaufe ich Patchouli und die dazu gehörige Seife, ich dusche damit, kann die aber in Deutschland nicht kaufen. Dreierpack, bitte. Dann habe ich meine Liste, möchte die Düfte erst auf dem Papier riechen, den Gewinner dann an mir für den Rest des Tages, und morgen komme ich ohne Parfüm wieder, und dann spielen wir das Spiel wieder, und am Samstag gucken wir mal, wie weit wir gekommen sind, und dann sehen wir weiter.
Ich kürze ab. Das Parfum, dem ich die meisten Chancen eingeräumt habe, bin ich nicht. Acqua della Regina, auch der Name hätte gepasst. Nicht ich. Ich war überrascht. Die Pinien aus Kyoto waren gut, aber nicht das, was ich suchte, zumindest nicht auf Anhieb. Als ich Patchouli zum ersten Mal roch, war die ungebremste Reaktion: Das bin ich in einer Flasche. Das hatte ich beim Königinnenwasser nicht. Andere Königin. An mir getragen habe ich heute Cinquanta. 50. Old fart. Grüner Tee und einige andere Komponenten, mit grünem Tee kriegt man mich immer, solange ich ihn nicht trinken muss. Auf dem Papierstreifen gut, die ersten Stunden an mir auch gut, dann irgendwann wurde es zu einem Fremdkörper. Nope. Was mir noch empfohlen wurde war ?Eva?, da reizte mich der Duft, der Name weniger. Aber ich nehme an, ich werde das morgen zumindest einseitig dem Museumstest unterziehen. Was ich auf dem anderen Arm trage, weiß ich noch nicht genau, auf jeden Fall ein zweites Parfum, ich habe ja jetzt einen Tag mit Cinquanta vergeudet. Auf keinen Fall darf ich meinem Bauch nachgeben. Die nette Dame, die mir behilflich war, kam irgendwann nämlich mit einem wissenden Gesicht und sagte: ?You will like that!? Und ja. Tabak und altes Leder, aber sehr nett verpackt. Nicht der feminine, leichte Duft, den ich vor Augen hatte, aber sehr nah dran an mir. Den mitzunehmen wäre aber kontraproduktiv, für Ichsein habe ich ja Patchouli, jetzt brauche ich was für Nettefrausein, vielleicht Eva. Angeli di Firenze wollte ich noch riechen, und als ich den Streifen in Empfang nahm, war ich sofort wieder 22 und im Grammatikkurs Spanisch 2. Damals gab es ein günstiges Parfüm, Ralph Lauren Polo Sport, das roch nach frischgeduschter Studentin, das fand ich gut. Und in der Sekunde, in der ich es gut fand, wurde es aus dem Sortiment genommen. Tja. So riecht jedenfalls Angeli di Firenze, und als ich sagte, dass mich das an etwas erinnert, guckte die Dame über ihre Brille und sagte: ?Yes, many young girls wear that.? Message received, aber danach konnten wir offen sprechen. Ich bin nicht mehr Polopferdchen frisch geduscht. Ich bin Tabak und altes Leder. Und wer die Polizei rufen möchte, soll das tun. Und morgen teste ich Eva, obwohl ich das mit der Erbsünde ja ablehne.