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Der heutige Mann meiner Paranymphe (erklärt sich gleich alles) ist nämlich Big Shot Astrophysiker, und deshalb war ich schon mal in einem Teleskop, aber in so einem richtigen. Aber von vorne. Ich habe (gleich darf einer von Ihnen korrigieren und sagen „wurde“) ja in den Niederlanden und in den USA promoviert, verteidigt habe ich in den Niederlanden, und da macht man das nach dem Originalprotokoll von anno Piependeckel, in dem Fall 1625. Das heißt, dass Zeremonienmeister in Verkleidungen durch das Ritual führen, und diejenige, die verteidigt, wird flankiert von zwei Paranymphen. Das sind Weggefährt:innen, die häufig aber nicht zwangsläufig zeitgleich die Ausbildung absolviert haben, und deren Funktion es in grauer Vorzeit war, sich schützend vor die Doktorandin zu werfen, wenn das Gefecht um die wissenschaftliche Erkenntnis handgreiflich ausgetragen wurde. Das passiert heute ja nicht mehr so oft, und gerade in den Geisteswissenschaften geht es ja vergleichsweise unblutig zu, aber immerhin war es ein schönes Gefühl, nicht alleine vor 12 alten, verkleideten Männern zu sitzen, sondern von zwei (wohlgemerkt stehenden) guten Freundinnen flankiert zu werden. Ich hätte rechtlich tatsächlich die Möglichkeit gehabt, eine Frage an die Paranymphen weiterzugeben, habe diese aber nicht genutzt (und das in den zig Verteidigungen, die ich in meinem Leben gesehen habe, auch nicht erlebt).

Gut, die eine Paranymphe war meine direkte Kollegin und Kollaborateurin, ihr damaliger Freund war auch Deutscher und promovierte gerade über schwarze Löcher in der Astrophysik. Genaueres weiß ich nicht, er fand uns eher nicht schlau genug, um das näher zu erklären, für mich war das fein. Er hatte später einen Glastisch mit doppelter Platte, darin lag ein Zeitungsartikel, der schwärmte, dass er irgendwas mit Relativitätstheorie, oh, schon so spät. Das konnte er jedenfalls scheinbar alles sehr gut, und während ich schwanger wurde und ein Kind kriegte, zogen die beiden nach der Promotion nach Cambridge und kriegten beide eine Stelle am MIT (what are the odds??).

Irgendwann musste ich noch einmal nach Kalifornien reisen, da mein Doktorvater im Sterben lag und ich ihm versprochen hatte, zur ganz großen Abschiedsparty zu kommen. Der Freund meiner Paranymphe musste auch an die Westküste, denn er musste zwei Wochen lang – Obacht, darum sollte es ja gehen – observieren. Ich weiß gar nicht, ob das auf Deutsch so gesagt wird, jedenfalls ist der Job dann der: Man ruft im Palomar Observatory an, sagt „Hello, I’m Klaus from MIT, I need to observe something“, und dann darf man sich zwei Wochen dort einquartieren, wenn die Warteliste abgearbeitet ist. Und dann guckt man sich durch ein riesiges Hale-Teleskop zwei Wochen lang nachts Sterne an, und das ist schon die ganze Geschichte. Ich bin damals als Besuch erst nach Boston geflogen, dann sind wir zu dritt nach San Francisco weitergeflogen, der Astrophysiker fuhr weiter zur „Schüssel“, wie man sagte, die Damen blieben in San Francisco und machten Remmidemmi, dann fuhren wir irgendwann auch nach San Diego, ich besuchte das Observatorium, lernte, dass zwei Wochen alleine Sterne beobachten gleichzeitig das Anstrengendste und Langweiligste ist, was man sich überhaupt vorstellen kann auf der ganzen weiten Welt, kaufte dann im Schüssel-Souvenirshop für den neugeborenen Ona ein paar Raumfahrtsocken, von denen er eine in einer Buchhandlung in Düsseldorf verloren hat, was eventuell das Traurigste war, was mir je passiert ist, sowie ein sehr schönes Bilderbuch mit dem Titel „I’m going to be the best astronaut ever“, welches ich ihm dann immer vorgelesen habe, und schwupps, nur 11 Jahre später hat das Kind eine 1 in Physik und möchte Astrologe werden. Das hat ja alles hervorragend funktioniert.
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