Letzte Stunde 44. Hälfte ist rum. Ich sitze mit Frau N auf meinem Sofa, ich sitze ja niemals auf dem Sofa, weil es mich auf eine sehr direkte Art damit konfrontiert, dass man für Dinge sehr viel Geld ausgeben kann, weil man so furchtbar überzeugt ist, und dann benutzt man es nie, weil es in der Praxis gar nicht so gemütlich ist, wie in der Theorie. Wenn das mal keine Allegorie ist. Mit Frau N habe ich in Düsseldorf noch nie auf dem Sofa gesessen, heute aber suchen wir Spaß, und den kann man für einen kurzen Moment haben, weil das Sofa aus einzelnen dicken Ledersesseln besteht, die mithilfe von Sensoren hin- und herfahren und die Liegeposition verändern. Zudem ist mein Handyakku leer, und auf dem Holzplateau, auf dem die Sessel stehen, befindet sich ein kleiner Induktionsladepunkt. Wir sind also etwa 30 Sekunden hin und hergefahren, ich habe mein Handy auf den Ladepunkt gelegt, und jetzt ist uns langweilig und wir machen Sachen im Internet. Frau N komponiert ein Lied, ich blogge das letzte Mal mit 44. So schnell kann’s gehen. Mit 31 habe ich angefangen.
45 muss besser werden als 44, und da muss es jetzt in strukturierten Schritten hin. Quasi ab morgen. Pandemie hat mir nicht gut getan, Teile meines Privatlebens haben mir nicht gut getan, ich habe einige wirklich dumme Entscheidungen im letzten Jahr getroffen, und gearbeitet habe ich auch zuviel, und in den letzten Monaten habe ich den Tribut dafür gezahlt. Da ich aber a) nur mäßig verrückt bin und b) Menschen um mich rum habe, die gut auf mich aufpassen, wird 45 das Jahr, in dem es bergauf geht, nach einem recht rapiden bergab. Und ab morgen – also ab jetzt quasi – schaffe ich mir die Rahmenbedingungen. Ich bin noch nie auch nur am Rande einer Depression gewesen, würde auch zu diesem Zeitpunkt eher von einem ordentlichen Burn Out sprechen wollen, aber Dinge müssen passieren.
1) Ich muss halt wieder essen. Ich habe kein Interesse mehr am Essen, tue es auch eher schlecht als recht, und jetzt kann ich mir natürlich nicht selber anordnen, dass ich wieder Appetit haben muss, aber ich kann mir sehr wohl selber anordnen, dass ich einfach regelmäßig esse. Eine genaue Idee habe ich noch nicht, wie, was und wie oft, ich weiß nur, dass ich in den nächsten Wochen in einer Liste an Frau N. täglich berichten werde, was ich gegessen habe, um mal einen Überblick zu bekommen. Da auch dieses Phänomen neu ist, gehe ich jetzt einfach mal davon aus, dass das managebar sein wird.
2) Nachdem ich jetzt fast drei Monate wieder geraucht habe, muss das natürlich wieder weg. Davon verspreche ich mir nicht nur längeres Leben, sondern eventuell auch Hunger. Das wären zwei Fliegen mit einer Klappe, und das ist doch super. Ich habe noch 4 Zigaretten übrig, die dürfen noch vor Ablauf des 19. geraucht werden, dann ist Schluss. Ich weiß ja, dass ich aufhören kann, und wollen tue ich auch, mehr braucht es nicht.
3) Wenn ich schon esse und nicht mehr rauche, kann ich auch den Alkohol weglassen. Ich trinke gerne Cremant, und ich wittere an der Front auch gar kein Problem, dennoch kann es ja nicht schaden, bis Ende des Jahres höchstens noch in Gesellschaft einen Cremant zu trinken. Gesund ist es nicht, das können wir festhalten, und mein Lebenswandel muss sich eh ändern, die schädlichen Komponenten müssen einmal weg, zumindest, bis ich wieder auf dem Damm bin. Also höchstens in Gesellschaft. Ist ja noch Pandemie, Gesellschaft ist selten.
4) Ich mag meinen Mann, also jetzt nicht als mein Mann, aber als Person, aber unser seit sieben Jahren währendes Wohnprojekt nach Ehe wird jetzt beendet. Das haben wir gut geklärt heute. Wir hassen uns nicht, wir mögen uns sogar, aber keinen Tag länger möchte ich mit ihm in einem Haushalt leben, auch nicht mit getrennten Bereichen. Ich möchte auch nichts mehr mit oder für ihn organisieren, und diese Situation wird jetzt hergestellt. Meine Lieblingsvariante wäre ja, dass er ins Nachbarhaus zieht, dort wird eine Wohnung frei. Und dann kann er auch mal zum Abendessen kommen, und Ona jeden Tag komplikationslos sehen, hier oder nebenan. Das wäre schön, in dieser Wohnung klappt das nicht mehr. Ich möchte grundsätzlich nicht mehr mit einem Mann zusammenleben, ich hätte aber sehr gern einen Mann für den spaßbasierten Teil meines Lebens an meiner Seite, aber im übertragenen Sinne. Nicht in meiner Wohnung. Einen Mann, den ich mag und der mich mag. Und das ist neu, aber auch interessant.
5) Ich habe ein paar administrative Baustellen, die mit dem Tod meines Vaters entstanden sind, die vermutlich inzwischen einen höheren vierstelligen Betrag an „hätte ich mal früher machen sollen“ kosten, ich konnte und kann mich aber nicht dazu überwinden. Totaler Unsinn, aber geht halt nicht. Und die werden jetzt outgesourct. Ich kann natürlich auch gut noch ein bisschen im Bett liegen und grübeln, aber zielführender und entlastender wäre es sicherlich, das einfach in kompetente Hände zu geben, irgendwann zum Notar zu laufen, ein paar Unterschriften zu leisten und ansonsten weiter zu verdrängen, während die kompetenten Hände das regeln. Die Idee habe ich Frau N gepitcht, und sie hat schon in die Wege geleitet. Dann ist das auch aus der Welt.
6) Schlafen. Vielleicht kann ich dann auch irgendwann wieder schlafen. Denn hey. 45 ist nicht nix! Und um es mit Raj von TBBT zu sagen: „Come on, dude, I’m exhausted and Tyra Banks says the most important item in your makeup bag is a good night’s sleep.“
(Bitte keine Tips/Standpauken/Mitleidsbekundungen. Alles wird gut, auch at rock bottom. Ist ja immer so. Und ich hab auch noch ein bisschen Shrink Budget.)