Eigentlich wollte ich gar nicht mehr über sprachwissenschaftliche Themen schreiben, da die Schere zwischen Theorie und Praxis in meinem Fall halt sehr weit klafft. Ich erwähnte es bereits, ich weiß viel über sprachliche Strukturen, was man allerdings in der Umsetzung damit macht, war mir früher schon egal, das war nämlich nicht das Arbeitsgebiet, und heute schon erst recht. Mein Kompagnon beschimpfte mich neulich als die selbstbestimmteste Frau, die er kenne, und das war nicht nett gemeint, aber darum schreibe und spreche ich halt so, wie ich schreibe und spreche. Zurück zu gucken.
Wenn ich Frau N. Glauben schenken darf, aspiriere ich den Anlaut, also den Laut K, weniger, als andere Menschen es tun. Vielleicht hören Sie das nicht, das liegt dann daran, dass das Ohr nicht geschult ist, und das ist der Normalzustand. Ich habe in den Vorlesungen damals nicht nur mit Overheadprojektoren gearbeitet, sondern auch mit Tonmaterial, und da habe ich sehr schnell lernen können, dass der Unterschied zwischen stark und schwach und gar nicht aspirierten Lauten für Viele sehr schwierig zu hören ist. Jedenfalls aspiriere ich meine plosiven Anlaute anscheinend wenig, und damit leben wir jetzt einfach mal. Wenn ich „gucken“ sage, klingt im Anlaut ein K, bei dem recht wenig Luft mitkommt. Entsprechend also auch sehr wenig Aerosol, meine Aussprache ist in der aktuellen Situation stark überlegen.
Mir war das nicht klar, dass es so ist, ich bin auch noch nicht vollständig davon überzeugt, aber man selber hört sich ja auch nicht zu. Frau N. hat vor vielen vielen Jahren ja schon mal etwas sehr Interessantes entdeckt, und das stimmte in dem Fall sogar. Ich bin ja in Deutschland geboren und aufgewachsen. Mein Vater ist Deutscher. Meine Mutter hat den größten Teil ihres Lebens auch hier verbracht, stammt aber ursprünglich aus den Niederlanden. Dort habe ich auch viele Jahre gelebt, und Deutsch und Niederländisch fühlen sich ähnlich in meinem Kopf an, wobei ich im Deutschen über mehr Register verfüge, ich kann also mit Frau Merkel sprechen und mit Ihnen. Im Niederländischen klinge ich sehr überzeugend, habe aber wenig Variation und kann gut über Sprachwissenschaft sprechen und Bier trinken. (Ich löse an dieser Stelle schon mal auf, bevor ich es gleich vergesse: Ich würde, wäre es wirklich so, dass ich zu wenig aspiriere im Deutschen, das darauf schieben, dass es sich um eine Interferenz aus dem Niederländischen handelt, da wird nämlich gar nicht im Anlaut aspiriert. Rein technisch bin ich sehr gut im Aspirieren, im Englischen zum Beispiel aspiriere ich sehr gekonnt.) Aber ich verliere den Faden. Es gab nämlich vor vielen Jahren eine Situation, an die wir uns nicht mehr gut erinnern können, jedenfalls saßen wir mit Menschen in einem Restaurant und ich sprach abwechselnd Deutsch, Niederländisch und Englisch. Das ist sehr anstrengend, weil ich alle grundsätzlich beherrsche, alle drei durcheinander macht meinen Kopf jedoch sehr müde. Jedenfalls beobachtete Frau N., und ich habe das von mehreren Kollegen in einer Versuchsreihe wissenschaftlich validieren lassen, dass ich unterschiedlich hoch spreche, je nachdem, welche Sprache ich spreche. Grundsätzlich ist meine Stimme eher tief, ich habe nicht umsonst sehr viel geraucht in meinem Leben. Wenn ich Deutsch spreche, klinge ich mitteltief, es reicht, um am Telefon immer nach meiner Frau gefragt zu werden. Wenn ich Niederländisch spreche, ist meine Stimme sehr viel tiefer, etwa so wie die von Harry Rowohlt. Das hätte ich selber niemals bemerkt. Wenn ich Englisch spreche wiederum, ist meine Stimme höher, nicht viel, aber ein bisschen. Nicht wie Mrs Bucket aus Keeping up appearances, aber halt etwas höher. Ich habe leider keine Erfahrungswerte, ob ich auf Englisch auch nach der Gattin gefragt werde, aber vielleicht ist das auch egal, habe ich ja keine. Interessant daran ist, dass ich wie eine multiple Persönlichkeit gar nicht steuern kann, wie hoch ich spreche. Wir haben mal am Küchentisch gesessen und ich versuchte, mit Glockenstimme was Niederländisches zu sagen, aber das hat nicht funktioniert. Wir mussten lachen. So wie heute, als wir versuchten, also Frau N., Frau Cucina Casalinga und ich, im virtuellen Büro das Wort „gucken“ auf Band einzusprechen. Frau C. weiß übrigens bis zu diesem Moment immer noch nicht, wofür das gut war, ich hoffe, dieser Beitrag bringt Licht ins Dunkle. Wir wollten das Material eigentlich sehr professionell einsprechen, habe ich das ja im Studium mal für einen Professor gegen Bezahlung gemacht (ich war aber beleidigt, ein anderer Kandidat durfte nämlich die Wörter „fünf“ und „Senf“ in verschiedenen Varianten einsprechen, also unter anderem „fünnef“ und „Sempf“, und ich kriegte nur ganz langweilige Wörter wie „wirklich“ und „Kirche“). Aber hören Sie selbst!
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Eine andere Sache, die Ihnen bestimmt schon aufgefallen ist, wenngleich sich netterweise niemand traut, das zu bemängeln, ist, dass ich ja überhaupt gar keine Ahnung von Tempusabfolge in Erzähltexten habe. Das ist auch ein kleiner Nachteil, wenn man drei so eng verwandte Sprachen spricht, irgendwann hat man im Kopf eine einzige riesengroße westgermanische Grammatik, die allerdings auf keine eine Sprache mehr wirklich passt. Wenn ich aus Versehen mal einen meiner Texte nach Fertigstellung noch mal lese, merke ich immer, dass da sehr viel im Argen liegt. Aber das ist halt dann so. Da Übung den Meister macht, würde ich noch als kleine, wie hörte ich neulich, Fingerübung die Geschichte mit dem Karmann Ghia vollständig erzählen. Das mache ich aber morgen.
Language (S. Vega)