Mir ist heute etwas Schlechtes und etwas sehr Schlechtes passiert. Ich beginne mit dem Schlechten: Im September beginnt ja diese magische Zeit, in der ich Dinge einkaufen und selber essen kann, da die im Haushalt lebenden Herren für sich entschieden haben, vor dem 1. Advent keine Weihnachtssüßigkeiten zu essen. Seit vielen Jahren ist es folgerichtig so, dass ich zwischen September und dem 1. Advent solche Unmengen an Weihnachtssüßigkeiten zur Verfügung habe (ich gebe zu, dass es mir ein gewissen Genugtuungsgefühl beschert, mich in dieser Zeit des Jahres für alles, was ich für mich gekauft habe und was dann mit der Begründung „Ich dachte, das muss weg, es befand sich im öffentlichen Raum“ und was mir seit Weihnachten weggegessen wurde, zu rächen, da ich natürlich weiß, wie schwierig es für die Herren H. ist, eine Person Spekulatius essen zu sehen, während man selber noch mehrere Monate warten muss), dass ich am 1. Advent dann für das Jahr an Süßigkeiten durch bin. Samstag kaufte ich also Spekulatius, quittiert von entsetzten Gesichtern, dann räumte ich ihn in den Schrank und vergaß ihn, heute war ich zwei Stunden mit dem Hund unterwegs, kam nach Hause, aß dem Rest die letzte Lasagne weg, stöberte dann im Schrank, fand den Spekulatius und aß dann ganz viel davon, so viel, dass mein Gaumen jetzt wund ist und ich einen Hautfetzen, der mich störte, entfernte. Eventuell bin ich dann jetzt für 2021 mit Spekulatius schon fertig. Das ging ja sehr schnell.
Und dann habe ich heute, weil ich gestern 12 Stunden vorgelegt habe (freiwillig, um mir heute Tagesfreizeit zu beschaffen) ein größeres Hundeerlebnis geplant. Es ist ja modern, reflexartig zu sagen „ich höre ja keine Podcasts“, ich muss aber sagen, dass ich sehr gerne Podcasts höre, zwar erst, seit wir selber einen gemacht haben, jetzt aber mit Begeisterung wie Feuer. Ich laufe so viel draußen rum und mache so oft recht intellektuell niederschwellige Sachen, dass Podcasts mir gerade recht kommen. „Früher“ habe ich Hörbücher gehört, aber dafür fehlte mir häufig die Aufmerksamkeitsspanne, da ich dann hin und wieder doch kurz nachdenken muss. Podcasts sind perfekt, denn im Normalfall geht es um nix und ist auch alles gar nicht wichtig, seien wir doch mal ehrlich, die Perspektive von Micky Beisenherz auf das Weltgeschehen kann man wissen, muss man aber nicht. Naja. Heute waren rund zwei Stunden Hunderunde geplant, also brauchte ich rund zwei Stunden Unterhaltung, und weil ich ja Schmerz und Leiden nicht aus dem Weg gehe, beschloss ich, den neuen Podcast zu hören, der mir schon mehrfach ironisch angetragen wurden: Lanz und Precht. Nun gibt es dazu zwei Dinge zu sagen.
Ich als Frau halte es für vollkommene Verschwendung, Lanz und Precht zu *hören*. Das finde ich nicht ihr schärfstes Schwert. Ich könnte mir viel besser vorstellen, ohne Ton Lanz und Precht einfach anzusehen.
Zudem gibt es so Kombinationen, die ich sehe und einordne unter „Match made in heaven“. In die gleichen Kategorie fiel einst das Gemeinschaftsbuch von Anne Geddes und Celine Dion. Da hatten sich einfach zwei Künstlerinnen zusammengetan, die ich gleichermaßen abstoßend fand, und das war dann schon wieder schön. Ein Buch von Anne Geddes mit Siouxsie Sioux hätte mein Weltbild viel mehr zerrüttet.
So gibt es nun also Lanz und Precht, und die Süddeutsche kündigte schon einmal an, dass hier keine Überraschung auf mich lauert. Ich zitiere den sehr schönen Schlussabsatz: „In Summe versuchen hier zwei Männer sehr freundlich, ein bisschen schlauer zu sein als der jeweils andere. Der eine, weil er am Nachmittag viel Zeitung gelesen hat. Der andere, weil er von der Party gerne später mit der einen Kommilitonin heimgehen würde.“
Also liefen wir los, also der Hund und ich, und in der ersten Stunde hörte ich Folge 1. Und was soll ich sagen. Ich war überrascht. Lanz geht mir gehörig auf die Nerven in seiner Talkshow, das war erstaunlicherweise nicht der Fall. Precht traut er sich nicht zu unterbrechen, scheint es, und sein „ich weiß was, ich weiß was“ dringt auch weniger durch, wenn sein Gegenüber etwas klüger ist als Susanne Hennig-Wellsow. Precht geht mir immer auf den Senkel, so auch heute, aber in diesem Format konnte ich ihn verhältnismäßig gut ertragen.
Ich stand also auf der Segelflugwiese, warf 1000 mal den Ball und lauschte Folge 1 und war nicht abgestoßen. Ich möchte sagen, ich war sogar interessiert. Ich fand die Positionen interessant, ich fand Vieles sehr klug, was gesagt wurde, dachte dann darüber nach, und mehr kann man ja nicht erwarten. Also brachen wir irgendwann das Ballspiel ab, weil meine Schulter wehtat, dann liefen wir eine Strecke, die wir sonst nicht laufen, sonst wird es ja irgendwann auch im schönsten Wald langweilig, und ich hörte Folge 2. 20 Minuten fand ich es so lala, und dann passierte der Dialog, den ich jetzt mal unkommentiert stehen lasse. Sie lesen hier ja schon was länger, und ich vertraue darauf, dass Sie eigentlich wissen, was ich jetzt dazu sagen würde. Setting: Zwei eitle alte Männer unterhalten sich über Linke und rutschen in die Gendersprachdebatte.
Lanz: „Gendersprache. Du sagst, das ist eine der dümmsten Ideen überhaupt.“
Precht: „Ja, weil es nicht nötig ist. Wir leben in einer Gesellschaft, in der in den letzten Jahrzehnten die Situation von Frauen sich dramatisch verbessert hat. 50er, 60er Jahre, als Frauen keine Konten eröffnen durften ohne Unterschrift ihres Gatten, keinen Vertrag unterschreiben, beim Scheidungsrecht benachteiligt, und und und. Und heute leben wir in einer Gesellschaft, in der Frauen *quasi* gleichberechtigt sind. Ich weiß, es gibt noch den ein oder anderen Job, wo sie weniger Geld kriegen, es gibt noch das ein oder andere, was es zu tun gibt, aber im Grunde genommen ist das so. [blabla Bundeskanzlerin blabla von der Leyen blabla Lagarde blabla Hillary Clinton] Und natürlich finde ich, das alles ist ein wunderbare [blabla viele Adjektive] Entwicklung. Brauche ich darüber hinaus jetzt noch eine starke, aus meiner Sicht etwas unästhetische Korrektur der deutschen Sprache? Ist das überhaupt notwendig?“
Ich lass das jetzt mal so stehen. Wir halten fest: Für Herrn Precht reicht das mit der Gleichberechtigung jetzt, ist ja schon *quasi* fast gut. (Der Fairness halber: Selber zu hören in Folge 2 ab Minute 20, überall da, wo es Podcasts gibt.)