Herzregen im Urlaub – Teil 5

Ich muss mich kurz sammeln, ich habe soeben das diesjährige Doppelkopfturnier verloren, und das auch noch gegen meinen Mann, der noch bis zum letzten Spiel hinter mir lag, naja, gut, dann ist es so. Ich hätte ja lieber haushoch gewonnen, aber wer immer nur so Kackblätter kriegt und dann auch noch mehrfach nicht aufpasst, der hat wohl nicht verdient, als Gewinnerin vom Hof zu reiten. Frau N auch nicht, obwohl sie mit 30 Punkten vor uns lag. Sie erklärte meinem Kind, auf die Frage, wie sie das denn jetzt gemacht habe, mit „mit Konzentration“, und ja, das kann natürlich sein.

Unser heutiger Ausflug war erstaunlich gut, er war gar nicht als gutes Erlebnis geplant, eher als überhaupt stattfindendes Erlebnis – in dieser Region ist es schwierig, etwas Unterhaltsames zu machen, was nicht mit dem D-Day zu tun hat, und der wird überall so lebensbejahend mit Gasmasken und Uniformen dargestellt – das ist für mich nicht so entspannend. Also fuhren wir heute wieder in das Lieblingsdorf der Franzosen, stiegen dort in ein Amphibienfahrzeug, das allerdings nur im Wasser schwamm, und fuhren nach Tatihou, die kleine Insel, auf die wir aus dem Haus gucken. Dort gab es nichts, ein Restaurant zwar, in dem man einen Tisch bestellen konnte, aber wer weiß schon, wie lange man bleibt und wer wann Hunger bekommt? Die Logistik ist zu fünft deutlich komplizierter als in unseren Zweipersonenurlauben. Wir hielten uns vorab offen, einfach sofort wieder von der Insel runter zu fahren, mir hätte es als Erlebnis schon gereicht, einmal von der Insel auf unser Haus zu gucken, wo wir doch sonst immer von dem Haus auf die Insel gucken.

Erstaunlicherweise war die Insel aber sehr hübsch, es gab wenige Leute (aus Naturschutzgründen dürfen nur 500 Gäste pro Tag anreisen), schöne Natur, gemütliche Bänke und ein sehr kleines Museum. Nachdem wir dieses durchlaufen hatten, saß ich mit Ona auf einer Bank und spielte Pokemon Go, als eine Möwe auf mein Handydisplay und meinen linken Daumen einen wirklich sehr großen Schiss fallen ließ. Es war okay, wir konnten alles lösen, Pandemie sei Dank hatte ich auch Desinfektionsgel bei mir – ich denke, das behalte ich bei, man wird ja doch recht oft angeschissen – und seien wir ehrlich: Auf der Hose wäre schlimmer gewesen. Oder wie bei der Beerdigung vom Opa von Kumpel Arthur, da wurde gerade der Sarg ins Grab gelassen, und ein Vogel kackte mir auf die Unterlippe. Nichts daran war okay, und es war noch präpandemisch, niemand hatte Desinfektionsgel.

Wir rannten noch ein bisschen weiter über die Insel und fuhren dann nach Barfleur, einem weiteren Fischerdorf mit dem Prädikat „schönstes Dorf von Frankreich“. Dort angekommen merkte ich erstmals, dass ich die Gegend langsam gesehen habe, ich muss keine Möwen und keinen kalten Atlantik und keine Bötchen mehr sehen, ist gut jetzt. Cidre, auch so ein Thema. Wir haben tatsächlich nur zwei von vier Flaschen Champagner getrunken, weil wir so begeistert waren von Cidre, und als wir heute unsere gemeinsame Lieblingsmarke tranken, stellte ich fest: Auch damit ist es jetzt gut gewesen. Ich kann wieder ins normale Leben übergehen.

Auf dem Weg zum Auto lief ich noch in eine Boulangerie, Baguette für Resteessen kaufen, und dann eskalierte auf dem Bürgersteig alles. Ich brauchte einen Moment, bis ich den völlig aufgelösten Herrn H. verstand: Vor dem Laden war ein riesiger Hundehaufen, ich stand in dem winzigkleinen Bäcker, irgendjemand war da reingetreten, und jetzt war Hundekacke überall. Fun fact: Nicht ich war reingetreten, sondern Herr H und Frau N, und den Rest habe ich nicht gut verstanden, ich hoffe, das erklärt sich dann nebenan bei Frau N, die Geschichte endete dann aber so, dass Frau N einfach ihre Schuhe wütend in einen Mülleimer zwischen Boulangerie und Auto warf und barfuß weiterging, und Herr H mit seinen Turnschuhen ins Hafenbecken lief.

Und morgen fahren wir nach Hause. Eine Woche ist immer recht kurz, und ich werde sehr schlecht schlafen, weil ich die ganze Zeit daran denken werde, dass wir morgen in diesem wahnsinnig vollgestellten, chaotischen Haus all unsere Sachen wieder raussortieren müssen. Das wird schrecklich.

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