Ich habe nur acht Minuten, dann muss ich bereits auf der Toilette gewesen sein und am Doppelkopftisch sitzen. Also los.
Heute wollten wir mal wieder rausgehen, also alle, auch die, die gestern nur im Sessel saßen, also fuhren wir in das Dorf, auf das wir in unserer Buch die ganze Zeit gucken. Saint-Vaast-La-Hougue. Die Wege hin und weg von unserem Haus habe ich inzwischen gut unter Kontrolle, die meisten „großen“ Straßen sind etwa so breit wie der Wagen, und ständig kommen einer alte französische Damen in Peugeots entgegen, die sehr schnell fahren dafür, dass für zwei Autos kein Platz ist. Ich bleibe jetzt einfach immer stehen und warte, bis sie auf zwei Reifen balancierend hochkant an mir vorbeigefahren sind.
Saint-Vaast-La-Hougue, da waren wir, wurde ausgezeichnet mit dem Prädikat „Lieblingsdorf der Franzosen“. Da sind wir sofort drauf eingestiegen, ich nehme an, Französinnen sind mitgemeint. Verliehen hat diese Auszeichnung so etwas wie WDR 3, aber immerhin, und landesweit haben 14 Dörfer teilgenommen. Saint-Vaast-La-Hougue hat also gewonnen, ich nehme an, die Konkurrenten waren so etwas wie Bottrop, Hagen, etc. In diesem Setup kann ich das gut verstehen.
Richtig schön war es da nicht, soviel kann ich sagen, und auch das Geschäft, das seit 160 Jahren in Familienhand Gewürze und solche Dinge verkauft, Maison Gosselin – Frau Gosselin stand selbst an der Parfumtheke – und welches man sich laut Dorfbeschreibung keinesfalls entgehen lassen sollte, war – ich kürze ab – schrecklich. Solche Läden kenne ich aus San Francisco, da gibt es so riesige chinesische Läden, in denen es alles gibt, was Sie sich vorstellen können, also ein Vollsortimenter für WELT, und jeder einzelne Quadratzentimeter des Ladens ist vollgestopft mit Billiggerümpel. Etwa so war La Maison Gosselin, nur noch schrecklicher. Die Ns, Ona und ich suchten in einer Menschenschlange gefangen schnell den Weg raus, Herr H. fühlte sich gut unterhalten.
Immerhin weiß ich jetzt, welches Produkt in meinem eigentlich dinglich sehr erfüllten Leben fehlt: So eine Hotelklingel, die man antippt, wie an einer Rezeption. Ich sehe mich im Bett liegen, und wenn der Veuve leer ist, klingele ich damit und jemand kommt mich retten.
Abschließend sei zu Saint-Vaast-La-Hougue zu sagen, dass es für mich das Kiel Frankreichs ist. Auf dem Papier alles super, man kann sich sehr gut vorstellen, wie schön es da ist, und dann kommt man an und ist ganz enttäuscht. Als wir 2009 mit dem Säugling in der Holsteinischen Schweiz waren, machten wir einen Ausflug dorthin und überlegten uns anschließend, dass wir, wenn wir mal jemanden richtig doof finden, der Person erzählen würden „Mensch, wir waren in Kiel, das ist so toll, fahr da hin, aber plan mindestens 2 Wochen ein.“
Haha, ich hab in Kiel studiert und gelebt, und liebe diese Stadt, ich kann ihren Kommentar gleichzeitig voll verstehen. Kiel ist eine tolle Stadt zum Leben, nicht für Sightseeing 😉
😉 Man muss ja auch immer dagegenhalten, wer es sagt. Ich wohne in DÜSSELDORF (zum dort leben absolut beste Stadt der Welt!)
Das äquivalent in elektronisch zur Rezeptionsklingel (oder auch die Küchenklingel in älteren Filmen) ist der Rufknopf im Flugzeug inklusive Licht. Manchmal reagiert aber niemand sofort drauf, dann muss man doch wieder selber in die Küche gehen.
Den habe ich tatsächlich noch nie bedient. Eine vertane Chance.
Alle Kieler:innen, die ich bisher kennen lernen durfte, loben ihre Stadt in den höchsten Tönen. Hannover ähnlich.
Wahrscheinlich muss man einfach nur so tun, als lebe man dort, und schon ist alles gut. Insofern ergibt der Tipp mit den mindestens zwei Wochen sogar Sinn.