Wenn man auf einem längerwährenden Pfad der Suche nach Ruhe und Entspannung, gleichsam aber auch Abwechslung ist, dann ist der CDU Parteitag natürlich absolut langweilig genug, sich mit dem Kaffee morgens einfach wieder ins Bett zu legen, andererseits gibt es so viele Steilvorlagen, dass das Streben nach Maß im Umgang mit den sozialen Medien scheitert. Ich mache es kurz: Immerhin nicht Merz. Ich fühle mich ja seit immer sehr zu hochgewachsenen, selbstbewussten und arroganten Männern hingezogen, aber es gibt ja Grenzen, auch im Geschmack. Dass er den ersten Wahlgang gewonnen hat, entfacht in mir ähnliche Gefühle wie die 74 Millionen Stimmen für Trump. Richtig finde ich das nicht, und ich möchte ja gar nicht das Instrument der Demokratie in Frage stellen, aber.
Nun gut. Viel lustiger noch als die Überleitung von sozial Schwachen zu „in diesem Zusammenhang“ Frauen (und dazu möchte ich sagen: Ich finde es ja fair, wenn man einfach bei seiner Position bleibt, das rechne ich ihm hoch an. Stellen Sie sich vor, er wäre im Vorfeld im leichten grünen Sommeranzug und mit Alice Schwarzer als Testimonial aufgelaufen und hätte dann die zu erwartene frauenfeindliche Politik gemacht, das wäre ja unfair. So ist mir das lieber, abschätzig handeln, wo man abschätzig denkt, entscheiden tun dann andere) fand ich allerdings den Benchmarkstatus des digitalen Parteitags der CDU. Was habe ich gelacht. Was da gestern und heute faktisch passiert ist, ist ja Folgendes: Langweilige Menschen und wirklich schlechte Redner haben sich an ein Pult gestellt, das ist gefilmt worden und wir konnten uns das im Internet live angucken. Jeder 12jährige Youtuber kann das. Dann wurde Opa Adams zugeschaltet, hat sein Mikro nicht angeschaltet, überbrücken, im Hintergrund mit Opa Adams vermutlich üben, dann noch einmal die Schalte, das Mikro bleibt stumm, irgendwann ist das Mikro dann offen, Opa Adams hört aber nix, macht Opageräusche, die man macht, wenn man nicht weiß, dass man gerade live auf dem Parteitag einer Volkspartei zugeschaltet ist, und dann bricht man ab. Kennen wir aus unserem Leben im Home Office und ohne Dienstreisen alles nur zu gut. Ich brauche beide Hände, um abzuzählen, wieviele Termine in den letzten 11 Monaten bei mir geplatzt sind, weil das Gegenüber sein Mikro nicht angekriegt hat. Da ist die CDU in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Ich selber habe in den letzten Monaten an einigen Großveranstaltungen ähnlichen Kalibers teilnehmen müssen, üblicherweise für Konzerne, und ich kann sagen: Es gibt digitale Veranstaltungen, die sind so toll, interessant und außergewöhnlich, dass ich zu Gott bete, dass ich nie mehr physisch irgendwo anreisen muss, um mich da dann am Fritz Cola Stand zu langweilen. Das war das aber heute nicht. „Die CDU setzt Digitalisierungsstandards mit diesem Parteitag“ sagt Herr Merz. Das Wort Benchmark fiel auch. Es klingt wie Satire, wenn ich mir allerdings so angucke, dass digitaler Unterricht auch nix anderes ist als gefilmter Unterricht, liegt er da ja richtig. Der Standard ist schon gleich. Digitalisierung in Deutschland ist 2021: Wir machen das mit den Fähnchen von 1950 und filmen es ab.
Ach. Naja. Immerhin kein Merz, wobei dieses Gefühl der Erleichterung auch nur davon ablenkt, dass die gewählte Alternative ebenso katastrophal ist. Aber insgesamt gibt es ja keine Alternativen. SPD tot, CDU Laschet, FDP halt FDP, AfD sprechen wir hier nicht drüber, Linke halt Linke, und die Grünen. Okay. Insgesamt muss man sich einfach langsam damit abfinden, dass es weltweit keine Politiker mehr gibt, von denen man regiert werden wollen würde. Das ist übrigens ein sehr sperriges Verbcluster. In den USA nimmt man dann halt einfach Menschen, von denen nicht klar ist, ob sie die Legislaturperiode überhaupt noch überleben (neulich war irgendwer überrascht, aber noch mal zur Erinnerung: Nancy Pelosi ist genau ein halbes Jahr älter als meine Mutter, und deren 80. haben wir letztes Jahr gefeiert!), wir nehmen halt, was es noch so gibt. Ich bin seit vielen, vielen Jahren politisch interessiert und engagiert, und an vielen Stellen habe ich in den letzten Jahrzehnten gedacht „oh no, bitte nicht diese Personen, wie soll das alles werden“, aber immerhin gab es noch Personen.
Da ich ja noch über Männer sprechen wollte (und parallel zu Merz ja einen Mann und einen Sohn habe) und der Digitalisierungskontext gerade eingeführt ist: Mein Mann ist jetzt Digitalisierungsbeauftragter von Jonathans Sportverein. Da Sie ihn und mich nicht kennen, können Sie nicht so sehr darüber lachen (lieb gemeint, das muss man dazusagen, ich will ja nicht gemein wirken) wie zum Beispiel ich, Frau N und der Düsseldorfer Künstler, die wir ja alle mit dem gleichen Witz um die Ecke kamen: Wir sähen ihn eher als Analogisierungsexperte. Aber gut. Das Tolle ist: Die Latte liegt sehr niedrig, ist ja Deutschland, der Parteitag ist die Benchmark, der Vorsitzende hat gestern anscheinend auch bereits gefragt, ob ich vielleicht unterstützen wollte (nein, will ich nicht), und in Schritt 1 werden Trainingseinheiten gefilmt. Das passt ja exakt ins Digitalisierungskonzept der BRD. Und er war da und hatte Zeit. Wenn wir nicht aufpassen, wird er irgendwann noch Bundeskanzler. Das wäre im Moment aber sogar auch egal.
Da weiß selbst ich kein Lied.