Ich bin ja für meine Verhältnisse sehr viel gelaufen in den letzten Tagen, und da meine Strecke ja sehr viel bergauf geht, merkte ich gestern schon beim Loslaufen, dass die Beine untem am Berg schon schwer waren, also auch ohne Steigung war ich angestrengt, das ist natürlich schlecht. Muskelkater. Ich habe mich allerdings durchgebissen, ich musste ja gucken, was die Gang macht. Heute war es unerwartet noch anstrengender, aber ich habe ja Ehrgeiz, und als Exsportlerin weiß ich: Wer nicht geweint hat, war nicht dabei.
Hoch zur Schafwiese kann ich drei Strecken laufen, vermutlich sogar mehr, aber drei naheliegende. Die erste ist rein in den Wald und immer geradeaus. Bis oben sind es 2 Kilometer etwa, der zu bewältigende Höhenunterschied beträgt 23 Stockwerke, die Steigung bleibt über die gesamte Strecke gleich. Nicht viel, aber merklich. Oben bin ich dann erfreut, und da wartet auch die Tränke, in der Fiene badet. Was daran nervt: Es ist nicht schlimm anstrengend, aber für einen Lauch wie mich merkbar, und dann sind 2 Kilometer einfach zu lang. Ich wähle die Strecke normalerweise, wenn ich eh keine Lust habe, dann läuft man und läuft und läuft und irgendwann ist man oben und es gibt Waldbaden.
Die letzten Tage bin ich immer die mittlere Strecke gelaufen. Ich biege nach kurzer Zeit rechts ab, gehe dann ein gutes Stück ohne Steigung, dann kommt eine mittelschlimme Steigung, also so eine, die wirklich steil ist aber nicht zu lang, und dann kommt ein kurzes Stück kleine Steigung, und dann kommt eine Art Treppe, die allerdings lang ist. Da bin ich meist schon außer Atem, bin aber so begeistert davon, dass ich dann oben bin, obwohl ich erst kurz unterwegs bin, und den Rest des Tages nur noch geradeaus oder bergab laufen muss. Das motiviert mich sehr.
Heute merkte ich quasi im Wohnzimmer schon, dass ich sehr schwere Beine habe, also wählte ich die harte Route. Nach kurzer Zeit links abbiegen, durch eine Art Märchenwald laufen (mit Steigung, die mir vorher noch nie aufgefallen ist, mit so schweren Beinen schon) und am Ende einen wirklich langen und sehr steilen Berg hoch. So steil, dass ich eben fast rückwärts runtergerollt wäre. Die Zeit des Leidens dort ist kurz, aber sehr heftig, dafür ist von dort aus der Weg zur Schafwiese nur noch 1/3, als hätte ich die mittlere Strecke genommen.
Also quälte ich mich da hoch, was heute noch unter erschwerten Bedingungen geschah, da der Pfad schmal ist und mein Hund sich überlegt hatte, über eine Distanz von 6 Kilometern heute mal einen drei Meter langen Ast zu tragen, was dazu führt, dass man immer alert sein muss, nicht mit dem Ding einfach Fullspeed von hinten umgemäht zu werden. Insgesamt hat so ein Trageausflug nicht die entspannende Wirkung, die man sicht wünscht, da ich alle zwei Minuten sagen muss, dass sie sich an die Seite setzen soll und Menschen durchlassen, die Erkenntnis, dass man mit einem 3 Meter Ast auf einem 3 Meter Weg sonst alles wegmäht, hatte sie noch nicht.
Oben auf dem Plateau dann Schaftherapie, und wie jeden Tag war die Kitagruppe wieder unfassbar lustig. Fiene hasst jetzt Schafe, weil man nicht ballspielen kann und die ganze Zeit neben mir sitzen muss, während ich mit Comicgeräuschen (ich wusste nicht, dass ich das in mir habe, weiß auch nicht, ob ich das immer mache) die Schafbabys kommentiere.
Der Weg zurück ging leichter als der hin, und ich beschloss, den längeren, aber schöneren Weg zu gehen, Ausdauer aufbauen. Und als ich nach über zwei Stunden dachte, dass mir jetzt *so* kalt ist und meine Beine *so* müde sind, dass ich mich freue, in 10 Minuten aus dem Wald rauszusein, da… naja. Da fiel mir auf, dass ich die Leine wohl verloren hatte. Mein Hund läuft ja nur ohne Leine so, wie andere Hunde mit, also brauche ich die im Wald nie, ich krieg sie auch ohne überall vorbeibugsiert. Da mir aber insgesamt viel um den Hals hing, Rolli, Jacke, Schal, Pfeife, Leine, hab ich nicht mitgekriegt, dass sie weg war. Also umgedreht, festgestellt, dass ich nur noch 1% Akku habe und „jemand“ die Powerbank aus dem Rucksack genommen hat, und dann gelaufen. Im Kopf schon mal kalkuliert, was es wohl kostet, mit einem Hund ohne Leine und Halsband im Düsseldorfer Stadtgebiet ein Knöllchen zu kriegen.
Long story short: Ich fand die Leine nach 4 Kilometern wieder, jemand hatte sie nett auf einem Richtungsschild platziert, ich ging nach Hause, und jetzt bin ich geduscht und müde. So. Morgen eventuell kein Schafcontent, ob ich die 23 Stockwerke morgen schaffe, ist unbekannt.
Darüberhinaus habe ich heute über mich gelernt, dass ich eine gute Dienstleisterin bin. Eine Sache habe ich in der Pandemie gelernt: Man muss halt auch mal schlau, vor allem aber eventuell abseits alter Muster agieren. Heute morgen musste ich für einen Kunden einen Dienstleister anrufen, um ein vollkommen absurdes Angebot zu verhandeln. Ich hatte mir das alles sehr einfach vorgestellt, es ist ein sehr kleines Unternehmen, ich hätte sehr mütterlich sagen können „Sie müssen Ihr Geschäftsmodell überdenken“, letztendlich konnte ich allerdings nur auflegen. Wenn das eigene Angebot bei 800 Prozent vom teuersten Gegenangebot liegt, dann ist ja etwas falsch, und wenn ich mich in einer Branche auskenne, dann in der, ich hätte 1/9 dafür kalkuliert. Wenn man dann nicht als Kunde anruft, sondern als Beraterin des Kunden und sagt: „Wir möchten gerne, dass Sie das machen, das ist für uns nämlich das Einfachste“ und auf die branchenüblichen Preisspannen verweist und die Gegenseite dann sagt, dass der wirklich sehr durchschnittliche Job (okay, es ist ein sehr schlaues Gewerk, aber innerhalb des schlauen Gewerks eine Aufgabe, die in meinen Teams die Junioren gemacht haben) für sie einfach so schwierig ist, dass sie da sehr lange für braucht und sich auch nicht vorstellen kann, das jemals schneller zu können, dann weiß ich es auch nicht.
Und als jemand, der unter anderem *sehr* politiknah arbeitet (leider) kann ich sagen: Das mit dem Welpen hätte ich Söder nicht geraten. Streeck auch nicht. Ich dachte, die PR hätte sich inzwischen dahin entwickelt, mit Inhalten zu punkten, nicht mit Tierbabys. Aber so kann man sich täuschen.
Mein Karmatier ist das Schafbaby. Hätte ich nicht gedacht, hätte ich mich präpandemisch beschreiben müssen, hätte ich „Löwin“ gedacht, hätte das aber zu arrogant gefunden und mir dann ein löwenäquivalentes Tier überlegt, das ein bisschen weniger „in da face“ ist. Heute kann ich sagen: Es ist das Schafbaby. Nichts hat mich in den letzten Wochen so glücklich gemacht wie der kleine Rappe mit dem weißen Puschelschwanz, der offensichtlich nur Mist macht, dabei aber immer gut gelaunt ist. Der ist mein Karmatier.
Animal Nitrate