Ain’t that a kick in the head

Ich bin kein Mensch mit Migränehintergrund (geklaut bei Marc Uwe Kling natürlich), aber so einmal im Jahr erwischt es mich, und dann wird alles schlecht. Fünf oder sechs Mal hatte ich so einen Anfall in der Vergangenheit, und inzwischen erkenne ich zumindest, was passiert und kann mir schon mal den Schlafanzug anziehen, Homeoffice sei Dank.

Als erstes kann ich von jetzt auf gleich nicht mehr richtig sehen. Mitten im Sichtfeld gibt es plötzlich Felder, die wie durch Glasbausteine Gucken wirken, und die bewegen sich dann lustig. Fokussieren geht nicht mehr, mit viel Willenskraft kann ich vielleicht noch einen letzten Tweet absetzen und mich verabschieden, dann wird mein Gesicht im nächsten Schritt taub, dann wird mir übel und ich entleere den Magen, und dann gehe ich ins Bett. Mit sehr viel Glück kann ich noch einschlafen, das ist dann gut, ich erinnere mich allerdings auch an Episoden, wo das nicht mehr ging, dann wird die ganze Veranstaltung etwas länglich. Vorgestern konnte ich nach Schritt 1, 2 und viel Ibuprofen noch einschlafen, hervorragend, und dann dauerte es fast 24 Stunden, bis ich wieder aufstand, zur Apotheke ging, sehr viel sehr nährstoffreiches Essen kaufte und langsam wieder in die hiesige Welt zurückkehrte.

Von Herrn Buddenbohm erhielt ich die Information, er habe in Helen Macdonalds „Abendflügen“ eine sehr ansprechende Beschreibung einer Migräne gelesen, ich selber möchte mich allerdings erst einmal wieder sehr weit von dem Thema entfernt aufhalten, gehe ich ja nicht davon aus, mich in den nächsten 12 Monaten abermals damit beschäftigen zu müssen.

Wenn man 24 Stunden weg ist, kommt man wieder und erwartet, dass irgendwas passiert ist, wir verzeichnen derzeit Zeiten, in denen permanent was passiert. Aber nein. Nichts ist gelöst, niemand tritt zurück – ich möchte bald stellvertretend für Maas und AKK zurücktreten, irgendjemand muss doch mehr machen als sagen „Wir alle tragen die Verantwortung“ – Corona ist auch immer noch, abends erzählte das Kind mir sogar vom ersten positiven Test des Schuljahres in seiner Klasse (am ersten Schultag), und abends spät traute ich mich sogar, mich flackernden Bildern auszusetzen und ließ mir von Norbert Röttgen, der wirklich den großen Vorteil mit sich bringt, dass er zu jedem Zeitpunkt sehr präsidial wirkt, die parlamentarische Demokratie noch mal neu erklären. Gut, dass ich wieder wach war, sonst hätte ich das alles nie gewusst. Es ist nämlich so (und der gesamte Rest ist ein Zitat aus der Erinnerung): Es geht in der Politik ja nicht darum, dass Regierungen Anträge des politischen Gegeners annehmen, das ist nicht der Sinn von Politik. Es geht allein um das Regierungshandeln, DAS (sehr präsidial laut werden denken) ist der politische Punkt.

Nun gut, ich hatte das in der Schule damals alles ganz anders gelernt, aber für eine Person, die von sich behauptet, sehr gut in Mustererkennung zu sein, ist es vielleicht abermals naiv, zu denken, es sei auch anders. Ich war nur eventuell überrascht davon, dass eine andere Person, die dafür bezahlt wird, über verschiedene Positionen nachzudenken und diese auch zu hören, das einfach mal so sagt. Ich merke mir das dann jetzt mal und werde einfach die nächsten Monate eine Petition vorantreiben, die die gesamte Opposition aus dem Bundestag entfernt, zumindest aus dem Amt für Besoldung, denn es geht ja nur um Regierungshandeln, dann brauchen wir ja auch nichts anderes mehr. Ist auch echt teuer, so eine Opposition.

Letztendlich haben die Onkels Laschet und Röttgen dann doch noch eine abgestimmte Sicht der Dinge präsentiert, die mir sehr gut gefällt. Ich kann wieder gucken und essen, aber mein Kopf fühlt sich noch ein bisschen roh an, da habe ich die Welt gerne schön, unkompliziert und friedlich. Wer wird denn jetzt, in einer Situation, in der Menschen um ihr Leben kämpfen und die Regierung alles daran setzt, diese zu retten (eventuell aber auch nur dann, wenn wir Laschet wählen, das war gestern unklar) sich mit Wahlkampf und politischen Schuldzuweisungen beschäftigen? Das ist ab.so.lut unmoralisch, das gehört sich nicht, wir helfen jetzt den armen Menschen, dann ist Wahl und DANN muss das Vergangene aufgearbeitet werden. Wenn diese ganzen linken Parteien (können wir hier eigentlich auch schon Antifa sagen, ich habe das immer sofort im Ohr) jetzt auch noch über Schuld sprechen wollen – nein. Das führt doch jetzt zu nichts, da hat die Regierung auch überhaupt gar keine Zeit für, machttaktische Spielchen. Pfui. People first. Für mich fein, ich wusste auch lang vor dem Fall von Kabul schon, wen ich alles nicht wähle, zum Beispiel Menschen in derzeitiger „Verantwortung“.

Und weil man ja immer mit etwas wirklich, wirklich Schönem abschließen soll, teile ich hier noch einmal das allerschönste Migräne-Recovery Video, das ich je gesehen habe, gespielt von meinem Karmatier.

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