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Ich komm noch mal rein. Heute war ja die erste Runde der Qualifikation für die Oberliga, und um das jetzt alles gut zu verstehen, müssen wir ein paar Jahre zurückgehen. Wenn Sie mir folgen, werden Sie hinterher eventuell emotional ähnlich stark berührt sein, wie ich.
Mein Sohn spielt seit der F-Jugend Handball, hat also wie ich einst im Alter von 6 angefangen. Seit immer habe ich gesagt, dass der ein Topformat hat, groß, viel Kraft im Oberkörper, schnell (früher schneller als heute) und auch taktisch gut, naja, das wusste man mit sechs noch nicht, aber heute ist er ja 14. Der Verein war seit Beginn begeistert, allerdings stellte sich auch schnell heraus, was fehlt: Intuition und Impulsivität. Es wurde geschliffen und trainiert, man gab sich viel Mühe, er warf immer besser, er wurde taktisch immer klüger, Intuition wurde sehr gut kompensiert durch Nachdenken, Nachdenken dauert aber oft zu lange, und Impulsivität blieb aus. Er spielte durchgehend in der Auswahlmannschaft seines Jahrgangs, und da eine „Jugend“ immer zwei Jahre dauert, spielte er zusätzlich zu seiner echten Mannschaft in E und D zusätzlich noch immer eine Liga höher in der 2. Mannschaft. Spielpraxis war also auch da, aber naja, Impulsivität blieb aus. Er war trotzdem immer wertvoll genug, um im Schnitt 8 Tore pro Spiel zu werfen und üblicherweise die ganze Spielzeit auf dem Feld zu stehen, aber das volle Potenzial, das man in ihm sehen könnte, hat er nie entwickeln können, und ich sag’s mal so: Ganz unrecht war mir das nie, wir haben im Urlaub letztes Jahr einen Gleichaltrigen kennengelernt, der noch mal einen Kopf größer war und ein Kreuz wie ein Schrank hatte, der gerade zu einem Bundesliga-Erstligisten abgeworben worden war, und der fuhr fünf Mal die Woche eine Stunde mit den Regionalexpress zum Training, und am Wochenende durch ganz NRW zu Spielen. Muss man wollen, wollte Ona nie, der möchte nämlich Falafel am Rhein essen und irgendwelche Schablonen sprayen neben Handball, und ich wäre sicherlich sportlich sehr stolz gewesen, keine Frage, andererseits hätte ich mich immer gefragt, ob mein Kind auch genug erlebt in seinem Leben. Und nun weiß ich ja, dass die Frage völlig irrelevant ist, wenn man für den Sport so brennt wie für nichts auf der Welt, aber das ist bei Ona ja gar nicht so, daher: Alles gut, wie es ist.
In den Kindermannschaften gibt es hier zwei Ligen, Kreisklasse und Kreisliga. Außer dem ersten Jahr in der E-Jugend hat seine Mannschaft immer Kreisliga, also die höhere gespielt, und da war ein paar Jahre die Verteilung so: Meister wurde immer der gleiche Verein, der auch in der Bundesliga vertreten ist und von klein an nur Leistungssport macht, keinen Breitensport, und dann war Onas Mannschaft immer ein guter Kandidat für Platz 2, wobei das nicht immer gelang, es war aber immer möglich. Der Verein wuchs ständig, mehr und mehr Jugendmannschaften kamen hinzu, und irgendwann entschied der Trainer, ein Ex-Bundesligaspieler Ü60 mit inzwischen erfolgreichen Vereinspolitikambitionen, dass er sich um zwei Mädchenmannschaften kümmern müsse, deren Trainer abgesprungen waren, und plötzlich stand die Mannschaft mitten im 2. Jahr D-Jugend ohne Trainer da. Das war schade und unelegant, zumal die Interimslösung, die gefunden wurde, nicht funktionierte, was dazu führte, dass sie mitten in der Saison ohne Trainer zu den Spielen anreisten und irgendwelche Mütter als Trainerinnen auf der Bank sitzen mussten, weil da ja irgendein Erwachsener sitzen musste. Das funktionierte logischerweise nicht, und sie spielten von Woche zu Woche schlechter, die Stimmung wurde schlecht, der Interimstrainer war für die Jungs verbrannt, dann kam ein neuer fester Trainer, der für die Jungs erst einmal so toll war, dass sie die letzten 8 Spiele der Saison (inklusive Angstgegner) gewannen, und dann war die Saison zuende, und somit kam der Aufstieg in die C-Jugend.
Die ist das erste Mal, das es jenseits von Kreisliga und -klasse noch etwas gibt, nämlich in unserem Fall Oberliga und Nordrheinliga. Für die muss man sich qualifizieren, und dann ist man gefühlt Creme de la Creme. Der Plan des Vereins lautete so: Die 2008er mit Ausnahme von 3 schwächeren Spielern spielen als C1 die Oberliga-Quali, die 3 stärksten 2009er füllen auf. Ihr Trainer ist der verbrannte Interimstrainer. Das wurde jedoch nicht mit den Kindern besprochen, sondern festgelegt, und mein Kind sagte, was ich immer sage, wenn ich was machen soll, was ich doof finde: Nein. Dann sagte der zweite Nein, dann sagte der dritte Nein, und dann war Essig im Verein.
Nun kenne ich mein Kind ja ein bisschen und weiß, dass man den nicht überreden kann, allerdings konsultierte er mich bei der Entscheidung. Grundsätzlich bin ich sicherlich ein sehr leistungsorientierter Mensch, aber seine Argumentation war sehr schlüssig: 1) Er hasst den Trainer. 2) Er spielt halb rechts (eigentlich der Linkshänder-Shooter, es gibt aber keinen Linkshänder, und er spielt rechts wie links gut, also steht er rechts), und das ist die Position des einzigen Starspielers der 2008er. Wenn er also dorthin wechselt, wird er mit Ausnahme von Verletzungszeiten gerechtfertigt ausschließlich auf der Bank sitzen, denn wir sind nicht mehr da, wo jeder mal Spielzeit bekommt, weil das nett ist. 3) Zusätzlich wird man vermutlich die allermeisten Spiele gegen die großen Vereine, die sie aus dem Fernsehen kennen und deren Jugendmannschaften da spielen, verlieren. Die sportlichen Gründe leuchteten mir ein. Viel wichtiger war aber der 4. Grund: Er wollte „mit den Jungs“ spielen, und das sind die 2009er, mit denen er seit sieben Jahren spielt und die sehr aneinander hängen. Und an dem Punkt war ich überzeugt und überließ ihm die Wahl.
Die Konsequenzen waren drastisch, to say the least. Hallenzeiten für die C2 wurden gestrichen, der Trainer der C2 wurde aus der gemeinsamen C-WhatsApp Gruppe geworfen vom Interimstrainer, von den jedes Jahr mindestens zweimal stattfindenden Trainingscamps wurden die C2-Spieler wieder gestrichen, „alle Kraft für die C1“, wir suchten das Gespräch mit dem Handballchef, der verstand, dass das schlecht lief, sich aber in der schlechten Situation sah, dass er auf den Ex-Interimstrainer angewiesen war, dann durften die 2009er nicht mehr zum gemeinsamen Training mit den 2008ern kommen, dann wurde Zwietracht zwischen den Eltern der beiden Mannschaften gesät, dann zwischen den 2008ern und 2009ern, und währenddessen verlor die C2 Spiel um Spiel. Es ist ja sehr einfach: Wenn man 13Jährigen Mal um Mal erklärt, dass sie nicht mitmachen dürfen, weil sie zu schlecht seien, dann denken sie irgendwann, sie seien schlecht, und dann sind sie schlecht. Spiralförmig abwärts.
Die Wochenenden waren eine Qual, wir führten mehrere Gespräche mit höheren Instanzen, die alle gehört wurden, aber es gab keine Reaktion, da man den Trainer brauchte, dann (er war auch sehr cholerisch und hatte – so konnte ich leicht recherchieren – in den letzten 12 Jahren 9 mal den Verein gewechselt, well, that’s a surprise) schrie er irgendwann eine sehr nette, kluge und ruhige Mutter eines C1-Jungen mit FICK DICH auf dem Feld an, dann kamen irgendwelche cholerischen Hasstiraden in die WhatsApp Gruppe, und dann formierte sich dann doch die gesamte Elternschaft mit dem Argument, ein Trainer sei halt auch eine Vorbildsperson, und man könne eigentlich sein Kind da nicht mehr gut hinschicken, und dann war er weg. Irgendwann war dann die Saison zuende, C2 am Tiefpunkt ihrer spielerischen Leistung. Ever.
Dann die eigentlich eher pro forma gestellte Frage des Vereins, ob sie als neue C1 und älterer Jahrgang die nächste Quali spielen wollten, und die Jungs sagten alle: Nein. Das wäre eigentlich folgerichtig gewesen, aber an dem Punkt bat ich mein Kind zum Gespräch. Meine Theorie war nämlich: Wenn ihr jetzt Nein sagt, bekommt ihr nie mehr drei Hallenzeiten in der Woche, nie mehr Handballcamps, nie mehr irgendwelche Fortbildungen, dann seid ihr für immer der verlorene Jahrgang. Und der Punkt ist ja der: Zwei Jahre davor waren sie noch Angstgegner, allerdings waren sie immer eine Mannschaft ohne einen einzigen überragenden Spieler, bis auf den Torwart vielleicht, der ist nicht von dieser Welt. Auf dem Feld sind alle sehr gut, alle sechs können Tore werfen und tun das auch in jedem Spiel, aber die Situation, wie sie zum Beispiel bei mir damals war, dass man einen dabei hat, der verlässlich 20 Tore pro Spiel wirft, hatten sie nie. Bei denen werfen 2 immer 8, 2 immer 5 und zwei immer mindesten 2, damit kommt man auch weit, ist dann aber die Moral hinüber, wird alles sehr schnell sehr schlecht. Meiner Theorie zufolge müsste man sich wieder besser um sie kümmern, dem Trainer, der Stärken aber auch große Schwächen hat, jemanden an die Seite stellen, der die Schwächen ausgleichen kann, und dann hätten sie irgendwann wieder etwas mehr Selbstvertrauen, und dann würde es wieder gehen. Nach zwei Gesprächen hatte ich Ona überzeugt, er transportierte die Idee in die Mannschaft, und dann sagten sie zu, die Quali spielen zu wollen. Die Idee dahinter war: Man kann sie ja nicht bestehen, daher kann nix schiefgehen, aber man kriegt die Hallenzeiten zurück und einen zweiten Trainer. Der Verein reagierte, naja, überrascht, akzeptierte aber. Der ganz alte, ganz tolle Chef kam einmal wöchentlich zum Training dazu, was sehr schnell zu sichtbaren Veränderungen führte. Dass das so schnell geht, hätte ich nicht gedacht, andererseits kannte der die Jungs auch schon von klein auf und wusste genau, wen er wo packen muss. Dann gab es drei Wochen vor den Osterferien einen Elternabend, der mit einem sehr langen Monolog zum Thema „wie schwer wird diese Quali heieieiei“ begann, bis ich davon ausging, dass uns jetzt mitgeteilt würde, dass die Meldung Geldverschwendung sei, die Wendung kam aber nicht, nur die Info, wann und wie die Quali gespielt würde. Ich war irritiert. Auch davon, dass es kein Sondertraining in den Osterferien geben sollte, genau genommen gab es gar kein Training, in der Woche vor den Osterferien fielen zwei Trainingstermine aus, und irgendwie hatte man das Gefühl, man würde verarscht.
Und hier muss ich jetzt kurz schlafen gehen, morgen der Rest. Aber es wird alles sehr schön, das kann ich versprechen. Und wenn es Sie nicht interessiert, lesen Sie das hier ja eh nicht mehr 😉
Hach, wie gut ich sowas nachvollziehen kann – hier nur in der C-Jugend-Fußball-Oberliga. Cholerischer Trainer – von Beruf Lehrer – der mitten in der Saison hinschmeißen will, weil er sich mit anderen Vereinsfunktionären auf Kindergarten-Niveau streitet. Platzverbot für C1-Trainer und somit effektiv Trainings- und Spielverbot dort für die C1. Die 3 C-Mannschaften werden gegeneinander ausgespielt. Mehrere C1-Stammspieler haben die Nase voll und wollen zu einem anderen Verein wechseln. Viel Eingriffs- und Regelbedarf für engagierte Eltern, damit es überhaupt irgendwie weiter geht. Und alles ist komplett unnötig und teils haarsträubend absurd. Finale Auflösung/HappyEnd steht noch aus.
Schrecklich!
Sowas kannte schon Eugen Roth:
Ein Mensch erlebt den krassen Fall:
Es menschelt deutlich, überall.
Doch oft erkennt man weit und breit
auch nicht die Spur von Menschlichkeit.
(aus dem Gedächtnis zitiert, möglicherweise nicht vollkommen korrekt)