23.03.2023

Damals, als ich noch privat an sozialen Medien interessiert war, hätte ich jetzt einen sehr langen Rant geschrieben, ich hätte bestimmt ganz viele schlimme Wörter benutzt, und am Ende hätten ganz viele Leute das geliket (ich habe das neulich beruflich herausfinden müssen, geliket ist die offizielle Schreibweise), und ganz viele andere Leute hätten sofort entfolgt, weil ich wirklich schwer zu ertragen bin, Point taken. Heute lese ich aus Versehen etwas, worüber ich mich kurz aufrege – also nicht über den Post, eher über das Thema – und dann koche ich ein wenig ohne Weißmehl und Zucker, wir sind wieder zurück bei kein Weißmehl und kein Zucker, bekommt mir alles nicht, das Kind wollte sich anschließen, und der Mann, der leider mit seiner Borg-Gesundheit und dem perfekten BMI trotz 10.000 Kalorien am Tag kein externes Korrektiv (Wage, Hörsturz, Schlaganfall) hat, musste sich geschlagen geben, und jetzt leben wir wieder ganz gesund, und in Woche 3 des Entzugs kann ich für mich sagen: Alles überstanden, kein Interesse mehr an Süßigkeiten, und ja, Di Cecco Spaghettoni war die Nudel meines Lebens, ich kann aber zufriedener ins Bett gehen, wenn ich so schlau war und Vollkornnudeln gekocht habe, und seien wir doch mal ehrlich – mit Salbei-Zitronensoße drüber ist doch total egal, welche Nudel es ist, es geht nur noch um das Mundgefühl, und auch da habe ich ein zufrieden stellendes Produkt gefunden, also gibt es jetzt immer das.

Wo war ich? Ach ja, ich wollte keinen Rant schreiben. Thema: Frauen, die enttäuscht sind, weil Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht gut gelingt. Zu dem Thema hatte ich vor etwa 13 Jahren folgende epiphanische Einsicht, die ich noch einmal kurz teilen möchte. Es ist nämlich so:

Der Tag hat nur 24 Stunden. Wenn man als Mutter 9 oder 10 Stunden am Tag arbeiten möchte, sind das Zeiten, in denen man nicht das Kind versorgen kann. Das ist so. Da kann der Staat nichts für, die Welt auch nicht. Wenn der Vater auch 9 oder 10 Stunden arbeiten möchte, weil Gleichberechtigung halt bedeutet, dass BEIDE die Möglichkeit haben, sich beruflich zu verwirklichen, dann muss einem klar sein: In der Zeit ist halt niemand zuhause, und niemand kümmert sich um die Familie, niemand geht zum Zahnarzt, niemand backt Osterhasen im Kindergarten. NIEMAND. Das erscheint mir so einfach wie logisch, und dann gibt es diverse Möglichkeiten, jede Familie kann dann überlegen, wie sie das lösen möchte. Was nicht, und zwar wirklich einfach nicht, passiert, ist, dass beide einen high powered Job ausüben und gleichzeitig zuhause Bullerbü machen und Kränze aus Wildblumen für die geflochtenen Haare ihrer Kinder herstellen. Um 14 Uhr, wenn die Kinder lieber Familie als Betreuung machen wollen. So ist das halt. Und die ganze Diskussion darüber, dass Frauen doch ermöglicht werden muss, sich auch beruflich zu entwickeln, nachdem sie Kinder bekommen habe, ja, finde ich auch wichtig, aber bitte, liebe Maxi/Brigitte/Für Sie, hört doch auf, darüber zu schreiben, wie gut man Beruf und Familie vereinen können sollte. Wenn Beide nicht da sind, sind halt Beide nicht da. Und wenn Beide im Homeoffice sind, was bei uns 3 Tage in der Woche der Fall ist, dann sind AUCH Beide nicht da, wir arbeiten nämlich, und in der Zeit, in der ich Wildblumenkränze flechte, arbeite ich nicht. Man kann nicht alles haben. Nie.

Ich kenne viele Familien, die sehr gute Lösungen gefunden haben. Unser nahezu gesamtes Umfeld besteht aus Doppelakademikern mit Kindern, und in allen Fällen arbeiten beide Elternteile. Aber häufig nicht beide in Vollzeit. Wir haben viele Jahre eine Nanny gehabt, die Jonathan drei Tage von der Schule abgeholt hat und bis 19 Uhr blieb, dann musste dann jemand aus dem Büro kommen. Andere haben ein Au Pair. Das war teuer, aber wir hatten ja immerhin zwei volle Gehälter, und das Modell funktionierte für uns, da Teilzeit für mich nie eine sinnvolle Option war, und für meinen Mann irgendwie auch nicht. Wie auch immer. All diese Modelle sind okay, und ich glaube, dass es – falls man eine gute Lösung findet – für die Kinder auch okay ist, dass die Eltern arbeiten. Aber diese Mär von der perfekten Familienorga, den glücklichen Kindern mit den Blumenkränzen in den Haaren und den Eltern, die beruflich voll durchstarten nach der Geburt und alle Fantakuchenrezepte auswendig kennen. Die langweilt mich, und ich glaube, es wäre für junge Eltern deutlich schonender, wenn man ihnen nicht immer erzählen würde, dass ALLES geht.

15 Gedanken zu „23.03.2023“

  1. Diese Mär hält sich genauso hartnäckug wie die Geschichte von der schmerzfreien Entbindung, wenn man nur richtig die Wehen veratmet…..

  2. das gab es eigentlich vor jahrzehnten auch nie: ein erwachsener betreut ein kind, oder zwei. die ansprüche von schule und kiga an eltern passen nicht zu der allgemeinen berufstätigkeit, da braucht es ersatzleute, auch bei krankheit. freunde zahlten für zwei kinder eine nanny um in ihren berufen nicht den anschluß zu verlieren. das war teuer, aber o.k. – es geht ja nur um einige jahre, und urlaube gemeinsam und selbstständige kinder sind ein gewinn der die beziehungen stärkt. mit ausreichend geld lässt sich fast alles regeln, auch torten fürs schulfest kaufen o.ä.

  3. Völlig richtig, niemand schafft das. In Bullerbü waren nämlich auch nicht alle Eltern in Vollzeit berufstätig. Schwierig wird es halt, wenn die Vollzeitberufe nicht gut genug bezahlt werden, dass es für eine Nanny reicht.

    • Ja, oder für einen privaten Kindergartenplatz. Die ersten 2 Jahre haben wir für 20 Stunden die Woche 1.500 Euro bezahlt. Plus Bahncard 100. Da war mein Job quasi Hobby, aber es war auch klar, dass ich nicht den Anschluss verlieren darf… Sind die Jobs schlechter bezahlt, wird das Thema schnell sehr schwierig. (Aber mal davon abgesehen: Es müssen halt auch nicht alle Eltern ihre Kinder bis 19 Uhr fremdbetreuen *wollen*, das ist auch eine Seite der Medaille. Man darf auch sagen, dass man das selber machen möchte. Väter wie Mütter.)

    • Tsihi. Also in den tatsächlichen Büchern arbeiten die Eltern sehr wohl Vollzeit auf den drei Höfen und die Kinder stromern sich selbst überlassen herum. Und müssen mitarbeiten (Rüben ziehen, Kirschen verkaufen, auf die kleine Schwester aufpassen…)

    • Natürlich waren in Bullerbü beide Eltern in Vollzeit beschäftigt Das sind Bauern und Selbstversorger mit Tieren und Landwirtschaft. Arbeit für alle von früh bis spät, selbstverständlich inklusive Kinderarbeit. Was haben Sie denn für eine romantisierende Vorstellung vom Leben auf dem Dorf?

  4. Ohne jetzt den Originalaufreger zu kennen: Solche Artikel werden doch nur geschrieben, damit auch noch die letzte arbeitende Mutter merkt, dass der Standard für „gute Mutter“ jetzt die Wildblumenkränze sind. (Oder Wichteltüren, oder selbstgebackene Torten zum Kindergartenfest, oder…) Wie die Diäten, die mit „body positivty“ verkauft werden.
    Alternativ um einigen wenigen Journalistinnen den Lebensunterhalt zu ermöglichen, die sich nach der Geburt ihrer Kinder auf das Thema „wie bin ich eine möglichst gute Mutter“ spezialisiert haben.
    Hören Sie zwei Generationen ostdeutsche Vorfahrinnen laut lachen und die Generationen davor müssten vermutlich erstmal ungefähr alles erklärt bekommen, bevor sie das Thema verstehen.

    • *lacht mit in ostdeutsch*

      Was bin ich froh, dass wir hier ausreichend Kita- und Hortplätze mit ausreichenden Öffnungszeiten haben. Wenn bei uns in der Klasse Eltern Selbstgemachtes zum Geburtstag mitbringt, geh ich einfach davon aus, dass es ihr Hobby ist und freu mich für alle Beteiligten 🙂

  5. Alles richtig! Was noch dazu kommt, dass nicht jede/r die Energie und Gesundheit für ein solches Leben hat.
    Andere Frage, welche Sorte Vollkornnudeln finden Sie die beste Alternative? Würde mir einiges ausprobieren ersparen.

  6. Ich möchte als Alternative zu „geliket“ das Wort „likiert“ vorschlagen (die Idee kam von Kathrin Passig, glaube ich).

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