Heute ist ein Tag, der von Diskurs bestimmt wird. Ich nehme an, dass 98% des Diskurses bereits hinter mir liegt, soeben habe ich nämlich meine Mutter verabschiedet. Ich gehe einmal die Woche mit ihr einkaufen, das ist meist Dienstag, und heute hatte sie Physio, also konnten wir erst um 16 Uhr einkaufen gehen, und eigentlich war das unerwartet nett – also nicht, dass meine Mutter sonst nicht nett ist, aber mit ihr unter Zeitdruck einkaufen zu gehen, ist mehr als anstrengend, weil sie ja diesen Geburtsdefekt hat, dass sie nur sprechen ODER laufen kann, und wenn jemand immer spricht, dann wird einfach nie gelaufen, sie will aber natürlich immer in den ganz großen Supermarkt, und da muss ich sie dann wie früher bei Pacman durch die Gänge schieben, weil sie permanent quer mit dem Wagen, den sie braucht, um allein laufen zu können, irgendwo stehen bleibt, um mir zu erzählen, was Marlies neulich am Telefon sagte, und dann gibt es hinter ihr eine Schlange von berufstätigen Menschen in Eile, die nicht durchkommen, bis ich meine Mutter und den Wagen weggeschoben habe, und dabei soll man ja auch nicht so von oben herab sein, ich werde ja bestimmt auch irgendwann 82, und dann wäre ich froh, wenn Ona mit mir in den Supermarkt gehen würde – oder nein, eigentlich möchte ich dann ja komplett autark sein, ich möchte lieber irgendwo mit jemandem wohnen, der mich gut versorgt und dafür mit mir schön auf der Chaiselongue sitzt und raucht, aber gut, davon bin ich noch ein paar Jahrzehnte und hoffentlich einen guten Plan für die Rente entfernt.
Jedenfalls erzählte ich, dass ich gestrichen hätte, sie war interessiert, außerdem hatte sie für den Kater irgendsoeine Paste, die er natürlich nicht mag, gekauft, also lud ich sie ein, Dienstag ist ja mein Alleinetag, das Kind hat Schule und Konfi und Handball, Herr H hat Büro, und dann saß sie in der Küche, wir hörten nicht Mary Roos sondern eines meiner absoluten Lieblingsalben, The Girl from Greece sings, Nana Mouskouri 1967, hören Sie das mal, das höre ich seit etwa 2000 ständig, und es wird nicht schlechter, hat man heute auch nicht mehr.
Jetzt habe ich noch 5 Minuten, dann bin ich Zeugin einer Live-Diskussionsrunde mit Sahra Wagenknecht, nicht aus Interesse, sondern weil ich mal gucken wollte, ob mein Spiegel Abo gut investiertes Geld ist, und dann – mit leichter Überschneidung, aber das verraten wir ihr erst, wenn es soweit ist – gibt es ein Event mit Frau N, die Einladung lautete „Event – Hurra“, das wird natürlich super.
Ansonsten habe ich meiner Mutter neue Stühle für den Esstisch geschenkt, weil die anderen ihr mit den gebrochenen Rippen weh taten, und seit eben weiß ich, dass Hase, wenn er ohne Hose darauf sitzt, daran festklebte. Meine Mutter hat jetzt Kissen für die Stühle gekauft und ich weiß, wo wir uns zukünftig immer treffen.
Es ist eine Veranstaltung *über* Sahra Wagenknecht, nicht mit. Viel besser!
Hase ohne Hose, ich möchte mein Gehirn mit Kernseife reinwaschen! 🐰
Ich will weder vom Sohn durch den Supermarkt geschoben werden noch mit jmd zusammen wohnen (außer der Mann, wenn der es solange schafft). Ich will einen Supermarkt den ich allein schaffe. Oder Lieferservice. Und nen Personal Roboter.
Meine Mutter *möchte* das auch alles nicht, aber manche Dinge sucht man sich nicht aus.
Natürlich möchte sie das nicht. Aber warum soll es nicht möglich sein, dass der Supermarkt für alle Altersklassen eingerichtet ist und es flächendeckende Services wie Lieferung gibt? Jeder Mensch sollte in der Lage sein können, ohne Familie oder andere unbezahlte Carearbeitende seinen Alltag zu bewältigen. Statt dessen wird den Familien immer mehr abverlangt.
(Mein gestrigen Kommentar bezog sich übrigens auf die Passage, wo du deine Vorstellungen für später beschreibst. Ich wollte keinesfalls die Mutter kritisieren. )
(Nein nein, das hatte ich auch nicht so verstanden. Aber sie ist 82. Und wohnt in der Großstadt. Natürlich kann sie Einkäufe liefern lassen. Aber schöner ist es, einmal in der Woche mit der Tochter unterwegs zu sein.)