Ach ach, ich weiß es ja auch nicht. Im letzten Jahr habe ich nämlich eine Sache gelernt, die man vielleicht, wenn man Politik machen und nicht nur immer darüber nachdenken muss, hätte wissen können, ich war aber den Meinung, ich hätte trotzdem Recht, und was soll ich sagen? Hatte ich nicht, also nicht ganz.
Der Punkt ist ja der. Ich habe in der Vergangenheit ausführlich und länglich darüber lamentiert, ja, so kann man es nennen, dass es sehr schlecht ist, wenn Leute Themengebiete verantworten müssen, von denen sie gar keine Ahnung haben, also zumindest nicht von innen. Natürlich kann eine Hotelkauffrau sich anlesen, wie das theoretisch so geht mit der Bildungspolitik, aber mein wirklich (mich selbst) überzeugendes Beispiel war ja, dass so eine Bundesbildungsministerin in drei Gesprächen mit drei Hochschulrektorinnen ja vermutlich ständig drei verschiedene Varianten von Problem und Lösung präsentiert bekommt, und dann stelle ich es mir sehr schwer vor, selber eine Haltung zu entwickeln, wenn man bisher keinerlei Berührung mit der Welt gehabt zu haben, aber was weiß ich schon. Ähnlich schwierig fand ich ja Jens Spahn und seine grundsätzliche Leistung im Rahmen der Pandemie, vielleicht kommt aber ja irgendwann der Punkt, an dem wir ihm viel verzeihen werden. Mal sehen. Ich erinnere mich jedenfalls, dass es im Rahmen der Vektorimpfstoff-Problematik irgendwann soweit war, dass der Minister Entscheidungen traf, die Herr Lauterbach anders getroffen hätte, und ich habe ihm das sogar geglaubt. Ich könnte das jetzt alles noch erklären, ich spare mir das aber. Der Punkt war einfach: Spahn konnte selber keine Risiken abwägen, weil er dafür kein Rüstzeug hatte, Lauterbach hätte das Risiko anders bewertet und die Verantwortung dafür persönlich übernommen, weil er das einfach selber so durchdenken konnte, dass er eine echte Meinung hatte, und das ist ja etwas, was so ein Minister genau so machen sollte. Eigentlich.
Nun gut, die neuen 20er Jahre sind ja scheinbar für den ganz harten Aufprall aus Wolkenkuckucksheim da, dann kann man auch mal mit der eigenen Fehleinschätzung, Fachpolitiker seien irgendwie besser, aufräumen. Ich war ja – wenngleich ich nur begrenzt SPD-nah bin – durchaus über die Berufung von Karlalso als Bundesgesundheitsminister erfreut. Mit Gesundheitspolitik habe ich viel zu tun, meist zwischen 9 und 18 Uhr, und ich kann aus der Entfernung sagen: Er kann so viel besser Studien lesen und bei Lanz Pandemie erklären, als ein Bundesministerium führen und da sinnvolle Ideen umsetzen, das geht auf keine Kuhhaut. Auch hier möchte ich Sie nicht weiter langweilen, alleine schon, weil das Wort so kompliziert ist, aber wie er es neulich mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geschafft hat, ein wirklich großes Problem dahingehend zu „lösen“, dass am Ende wirklich alle, also *alle* beteiligten Gruppen richtig sauer sind und das Problem dennoch exakt so groß ist wie vorher, das war schon spektakulär. Das muss man erst mal hinkriegen.
Wohin sollte das alles führen? Genau, Frau Lambrecht, ihre schlimmen Gelfingernägel, die wir zukünftig zum Glück nicht mehr angucken müssen und die Frage, wer das jetzt schon wieder alles lösen soll. Das Dilemma – oder wie es ja seit Pandemie heißt: das Dilemmata – ist ja dies: So ein Verteidigungsministerium ist in einer Zeit, in der zwei Länder weiter gerade ein sich in unsere Richtung orientierendes Land von einem Irren dem Erdboden gleich gemacht wird, sicher keine unwichtige Sache. Nun haben ja die allermeisten Ministerien so ihre Berechtigung, aber ob ich das schön finde oder nicht: Hier ist jetzt Zeitenwende, hier muss jetzt mal alles fit gemacht werden, und auch wenn ich oben noch von meiner supersteilen Lernkurve berichtete, wird mir schon wieder ganz angst und bange, wenn ich höre, dass jetzt wieder alles paritätisch und ach herrje nicht jemand aus Niedersachsen und blablabla. So. Jetzt habe ich mich geoutet: Ich bin ja nur bedingt für die paritätische Besetzung, ich glaube zwar fest daran, dass Teams viel besser funktionieren, wenn Frauen, Männer und wer auch immer gemischt miteinander arbeiten, aber in meinem Wolkenkuckucksheim trumpft Kompetenz ja Geschlecht. Ich verstehe allerdings auch, weil ich es oft genug aus der Nähe gesehen habe, dass – nicht erschrecken – auch schon mal irgendwelche Männer irgendwelche anderen Männer besetzen, obwohl es eine besser qualifizierte Frau gegeben hätte, und tja, wenn sich das Gefühl breitmacht, dass das Ganze System hat, dann gibt es halt eine Quote. Das ist aber natürlich nur eine Krücke, viel besser wäre ja, wenn man einfach immer die geeignetste Person nehmen würde, und meine fundierte Ausbildung in Stochastik sagt mir, dass bei etwa gleicher Verteilung der Geschlechter am Ende gesamtgesellschaftlich auch eine sehr ausgewogene Verteilung dabei rauskommen würde.
Schwierig ist es dann vielleicht bei so Leuchtturmpositionen, da haben wir nämlich rein logisch folgendes Problem: Stellen wir uns vor, wir haben zwei Funktionen, die besetzt werden müssen. Der erste Kandidat ist ein Mann, der wird ausgewählt, weil er einfach unfassbar gut ist. Diese Männer gibt es. Die zweite Position muss nun gefüllt werden mit der nächstbesten kompetenten Person, und ich möchte Sie nicht enttäuschen, aber: Die Wahrscheinlichkeit, dass die aus dem Pool von 80 Millionen Deutschen dann eine Frau ist, ist 50/50. Wenn ich also sage, dass ich zwei Positionen paritätisch besetzen möchte, kann ich nur eine davon nach der bestmöglichen Passgenauigkeit besetzen, für die andere habe ich dann den Pool der möglichen Kandidat:innen halbiert, und jetzt bin ich mir kurz nicht sicher, ob Gendern hier in dem Satz überhaupt sinnvoll ist. Wenn ich dann eine weitere Restriktion einbaue, zum Beispiel „nicht aus Niedersachsen“, dann fallen von den eh schon nur 50% der Kandidatinnen noch alle Niedersächsinnen weg, und dann gibt es noch parteiinterne Logik A und parteiinterne Logik B, und dann irgendwas mit Flügeln und am Ende ist Anne Spiegel Ministerin, auch schlecht.
Jetzt kann natürlich jemand Kluges sagen „aber die Logik gilt ja für jeden einzelnen Job“, und theoretisch ist das vielleicht sogar richtig, aber in der Praxis muss man sagen: Es gibt zum Beispiel über 50.000 Hochschulprofessor:innen in Deutschland. Das sind wirklich viele, und wenn wir jetzt nach der Logik der besten Eignung gingen, wäre es – vorausgesetzt, wir nehmen an, dass Frauen nicht grundsätzlich dümmer sind als Männer – statistisch eher unwahrscheinlich, dass davon 2/3 Männer sind, ach so, zur Info: 2/3 sind Männer, und das ist tatsächlich eine der großen Errungenschaften, zu meiner aktiven Zeit arbeitete die Wissenschaft hart auf die 20% Frauenquote hin, das ist 1/5, das ist noch viel schlechter. Ändert nichts an meiner festen Überzeugung, dass – wenn es nur eine einzige Stelle zu besetzen gibt – Geschlecht wie auch Bundesland keine Rolle spielen darf, zumindest – und jetzt kommt das noch viel besser Argument – wenn die Stelle verlangt, dass man wirklich unglaublich gut im Entscheiden von Dingen, die es in dem Ressort zu entscheiden gibt, ist. Die Person, die alleine endverantwortlich für Militär und Verteidigung oder Gesundheitssystem oder WAS AUCH IMMER ist, darf nicht nach irgendetwas anderem als Eignung beurteilt werden. Mein Vorschlag: Nehmen wir doch einfach die Staatssekretär:innen mit in den Pool. Die werden doch sowieso meist nach albernen Kriterien besetzt.