Well, that backfired nicely!
Jahrelang habe ich den armen Teenager ins Düsseldorfer Schauspielhaus geschleppt. Der Deal war, naja, ist: Du darfst dich permanent mit irgendwelchen toten Gangsterrappern und 20jährigen Cooking-Influencern beschäftigen, aber zweimal im Monat ziehst du dir ein Shirt ohne toten Gangsterrapper an, und dann gucken wir irgendwas, was im Zweifelsfall sogar Sinn macht. Dabei haben wir eine recht große Spanne an Gefühlszuständen abgedeckt, von aufspringen und Schreien „Wow Wow Wow“ mit fuchtelnder Faustbewegung über „Du wirst mir jetzt nicht verbieten, dass ich die Earpods reinmache und was höre“ (Ferdinand von Schirach „Gott“, und damn, er hatte Recht, auch wenn ich das wirklich gerne sehen wollte), die schönste Gefühlsregung war meines Erachtens zur Pause seiner ersten von drei Rheingold-Aufführungen regungslose Starre, und dann sehr langsam und leise „Holy shit, ist das geil“, naja, das kann nur Wagner, egal, wo war ich? Wir sind halt sone Leute, aber wenn man diese Entscheidung ganz bewusst trifft, außerhalb der eigenen Bubble Cluburlaube zu machen, dann muss man sich das eventuell gut überlegen, ob man abends in die Theatervorstellung geht, insbesondere dann, wenn es eine heitere Verwechslungskomödie gibt. Vor zwei Wochen gab es noch Dorian, inszeniert von Robert Wilson, aber ja, ich hatte mich selbst gut erwartungsgemanagt. Und eigentlich sage ich ja immer – wirklich immer, also bleiben Sie in all meiner Redundanz kurz dabei – dass ich es ja bereits sehr zu schätzen weiß, dass jemand sich Mühe gibt, um mich zu unterhalten, und das live, aber nun gut, ich hatte Unmengen gegessen, ich bin heute auf so viele Gänge Essen gekommen, wie im gesamten Kalenderjahr 2021 nicht, also gut, es war schwierig. Wir nahmen am Ausgang Randlage Platz, Frau Klugscheißer machte sich nicht einmal die Mühe, so zu tun, als wollte sie das gucken und verabschiedete sich bereits beim Begrüßungsapplaus, ich war nach etwa 10 Minuten an dem Punkt, wo mir einfiel, dass ich noch was bloggen könnte, aber nein, das doofe Kind (ganz lieb gemeint) hat bei Gott und sogar bei Kriemhilds Rache tapfer durchgehalten, und das prägt halt. Dreimal fragte ich, ob er gehen wolle, er wollte aber nicht. Außerdem hat man mit 13 einfach den Vorteil, dass man 500 Jahre alte Witze ja noch gar nicht kennt, und dann sind die vielleicht witzig.
Long story short, nach 20 Minuten und ohne eine Chance auf Schlaf, es gab nämlich keine gemütlichen Theatersessel, sondern Eishockeystadion-Schalen, nahm ich das Handy raus, um ein bisschen was Lustiges zu konsumieren, und dann gab es einen wirklich großen Rüffel von links, und mir wurde vom eigenen Kind erklärt, ich solle sofort das Gerät ausmachen, das sei unhöflich, ich solle jetzt zugucken, und dann guckte ich zu, war sehr satt, saß recht ungemütlich, und nach 40 Minuten beugte er sich zu mir und sagte: „Wenn du es nicht so spannend findest, können wir gehen.“ Und dann gingen wir, draußen erklärten wir uns gegenseitig, dass das für die Schauspieler*innen eigentlich nicht schön sei, und dann sagte er: „Aber für Leute, die immer ins Schauspielhaus gehen, war es leider nur mittel.“ Und Sie sind ja immer viel unkritischer als ich und finden eh alles gut, aber das fand ich wirklich schön. Und nein, es war vermutlich echt ganz unterhaltsam, aber leider nicht genug, um mit 40 Kilo Essen im Bauch auf dem Stuhl sitzen bleiben zu können.