30.04.2022

Leser „von früher“, als man noch Leser und nicht Leser*innen schrieb, erinnern sich sicherlich noch an Beebie Arthur. Die Eltern von Beebie Arthur lernten wir im Geburtsvorbereitungskurs kennen, den ich mir ohne Weiteres hätte sparen können, die Botschaft „ein durch die Nase, aus durch den Mund“ hätte man gut auch in einer Kurznachricht transportieren können, ich lerne ja auch schnell, keinesfalls hätte ich dafür wochenlang abends in so einem Raum auf dem Fußboden sitzen müssen. Ich fuhr immer mit der Bahn zum Kurs, Herr H. kam immer im Anzug direkt aus dem Büro dorthin und schlief regelmäßig ein. Den Kurs hatten wir belegt, da Menschen, die mich nicht gut kennen, mir permanent rieten, ich solle so etwas machen, ich sei ja neu in der Stadt, sogar in dem Land, und würde niemanden kennen, dort könnte man gut neue Leute kennenlernen. Ich reagierte üblicherweise mit dem Satz „Wieso sollte ich dort Leute kennenlernen wollen, das Einzige, was uns eint, ist ungeschützter Geschlechtsverkehr etwa zum gleichen Zeitpunkt“, aber Herr H. wurde irgendwann weich und wollte einen Geburtsvorbereitungskurs machen.

Als wir zur ersten Sitzung in den Umkleideraum kamen, waren die meisten Paare schon im Übungsraum, und wir begutachteten die Schuhpaare, die vor den Bänken standen. Ein Paar bestand aus einem Paar Adidas Samba in Damenformat und einem Paar Puma Speed Cat im Herrenformat. Wir waren andersrum sortiert, ich trug mit zunehmendem Bauch immer öfter Puma Speed Cat (damals waren das meines Wissens noch keine Rennfahrschuhe, sondern einfach nur sehr bequeme Sneakers, und ich hatte derer drei, da ich in den USA verstanden hatte, dass diverse Onlinehändler deutlich größer waren als hier, und da ich mit Schuhgröße 39 zwar für Damen sehr normale Füße hatte, für Herren allerdings sehr sehr kleine, kaufte ich gerne Sneaker Restposten, die mit Größe 39 als Herrenschuhe einsortiert waren, und so konnte man schon mal Puma Speed Cats für 10 Dollar kaufen). Herr H. trug damals ausschließlich Adidas Samba. Das Paar, dem diese Schuhe gehörten, waren also wir in andersrum.

In der Stunde saßen wir auf dem Boden im Kreis, und wir versuchten zu identifizieren, wem wohl die Schuhe hätten gehören können. In der nächsten Sitzung gingen wir eine Apfelschorle trinken. Dann bekamen wir die Kinder, dann zogen wir in das Haus von Beebie Arthur ein, dann zogen wir drei Jahre später wieder aus, weil wir uns ein Haus mit Garten gewünscht hatten, dann blieben die Kinder immer Freunde und die Eltern auch, dann kam die Pandemie und wir sahen uns länger nicht, und heute haben wir gegrillt. Das wollte ich eigentlich erzählen. Dass wir schon wieder gegrillt haben, und dass ich – wie jedes Jahr – schon vor dem 1. Mai im laufenden Kalenderjahr nicht mehr grillen möchte. Grillen ist doof. Das war die Geschichte.

5 Gedanken zu „30.04.2022“

  1. Ahh. Speedcats. Einzig akzeptable Sneaker. Aber bestimmt seit 15 Jahren keine mehr gekauft – weil „Rennfahrer“.
    (Klar kenne ich Beebie Arthur noch)

  2. „ungeschützter Geschlechtsverkehr etwa zum gleichen Zeitpunkt“ ist die perfekte Bezeichnung für „andere Eltern“ und ich hoffe, ich kann mir das merken und oft anwenden.

  3. Oh wie schön ,dass es Beebie Arthur noch gibt! Habe mich immer gefragt, was wohl daraus geworden ist. Gar nicht so selten klappt es ja mit den Kindern und Eltern eine Weile ziemlich gut, aber mit der Pubertät wirken dann doch andere Lebens-/Erziehungsvorstellungen und wird das nicht mehr überlagert von den vielen praktischen Aspekten (Kinder streiten nicht/spielen schön miteinander, wechselseitige spontane Betreuungen /Übernachtungen entlasten alle Beteiligten, …). So geht’s dann oft auseinander [vielleicht kennen Sie das. Vielleicht kennen Sie auch das Umgekehrte, dass die Freundschaften mit den kleinen Kindern und verschiedenen Erziehungsstilen inkompatibel sind, mit den größeren Kindern dann aber die Kinder elegant ausgeklammert und an die frühere inhaltliche sonstige Vertrautheit angeknüpft werden kann].
    Sehr schön übrigens, dass Sie wieder so viel und so intensiv bloggen – eine Freude! [Das wollte ich eigentlich schreiben]

    • Danke, und ja, natürlich gibt es Beebie Arthur noch. Ona ist eine treue Seele, und wir Eltern auch. Aber wir haben auch jahrelang so viel Zeit miteinander verbracht, insbesondere, als wir auch zusammen wohnten, dass die Kinder für immer wie Geschwister sein werden, und wir Eltern haben auch immer gut zusammen gepasst, auch abseits der Schuhe.
      Wir hatten ja eher regelmäßig das Thema, dass Ona die Kinder von Leuten, die wir besonders gerne mochten, nicht interessant fand oder – schlimmer noch – genau andersrum. Jetzt sind die ja eh in dem Alter, dass man mit den Eltern nix mehr zu tun haben muss, wobei er bei den engen Freunden aus meiner Sicht dann doch ein sehr glückliches Händchen hatte.

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