Wenn Sie heute im Karstadt in Düsseldorf waren und sich wunderten, dass im ersten Stock eine schluchzende Frau stand: Seien Sie beruhigt, es geht mir gut. Vielleicht war ich ein bisschen überfordert von der Gesamtsituation, ich finde aber, dass das in einer Pandemie nur angemessen und somit akzeptabel ist.
Eventuell musste ich weinen, weil ich an einem Ständer vorbeilief, an dem es Kragen gab, die zu nichts gehörten. Also einfach ein Blusenkragen, mit Glitzersteinchen drauf, an der Seite so komische Gummizüge, die vermutlich unter den Achseln sitzen, damit man nicht irgendwann einen Fitzel – ich verfüge scheinbar nicht einmal über das Vokabular, dieses Kleidungsstück zu beschreiben – aus dem Pulli herauslugen hat in der Videokonferenz. Das Verb „herauslugen“ habe ich jetzt taktisch gewählt, um zu demonstrieren, dass ich abseits des Kragens sehr wohl über Wörter verfüge. Jedenfalls war ich gefühlt in der gesamten Pandemie nicht in Kaufhäusern, doch einmal, ich kaufte Wäsche, und was vielleicht auch dazu beitrug, dass ich weinen musste, war die Erkenntnis, dass ich mich scheinbar in den letzten zwei Jahren auf wirklich allen in einem Vollsortimenter verfügbaren Gebieten so festgefahren habe, dass es dort nichts mehr gibt, was ich kaufen wollen würde. Vielleicht ist das auch eine gute Sache, aber die Kombination von Keinen-Quatsch-mehr-kaufen und Für-die-meisten-Dinge-immer-genau-das-gleiche-kaufen lässt mich eine halbe Stunde durch einen menschenleeren Karstadt laufen (wegen Pandemie, nicht wegen 2G), dann ein bisschen weinen, und dann in die Apotheke auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehen, weil Medikamente hermüssen, und zack, Sale meiner Gesichtspflege, 25% Rabatt, und jetzt habe ich schon die Nachfolgetube Tag und Nacht in der Schublade, plus einen Tiegel Bodylotion, und ich musste nicht mit leeren Händen nach Hause. Das war schön.
Vielleicht habe ich auch weinen müssen, weil ich sehr sehr erleichtert war, ich kam nämlich gerade vom Haararzt, der neben dem Karstadt ist und ich musste etwas Zeit überbrücken, und zu meiner vorsichtigen Freude fand der Haararzt im Lichte einer sehr hellen Lampe schneeweißen kleinen Flaum. Wie bei einer Gans. Am Hinterkopf. Da, wo vorher nichts war. Und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich laut Blutbild einen guten Eisenwert. Dafür verfüge ich über einen spektakulären Vitamin D Wert von 4 (normal ist 30, whatever that means, aber 4 ist 26 zu wenig und sehr schlecht), und Selen habe ich irgendwie auch nicht mehr. Aber das ist alles nix, was man nicht wieder hinkriegt, und ich nehme jetzt ja keine Eisentabletten mehr, also habe ich in meinem Pillendöschen Raum für Vitamin D und Selen. Insgesamt möchte ich sagen, dass so ein Körper ein hochkomplexes Gebilde ist, und wenn der Deal jetzt ist, dass ich immer alles irgendwie mikromanagen muss, weil nix mehr von alleine klappt, ist das zwar anstrengend, aber ich bin sehr gut in Sachen managen und wenn das am Ende dazu führt, dass ich ganz viele schicke Gänsedaunen auf dem Kopf habe, ist ja alles wieder gut. Wie viele Vitamine und Gedöns kann man schon haben?