So, ich fahre also in Urlaub. Ich habe es 44 Jahre lang geschafft, nicht pauschal zu verreisen, und 10 Jahre, nicht privat zu fliegen, aber besondere Pandemien rufen nach besonderen Urlauben. Also probiere ich jetzt Tourismus. Und das kam so.
Manchmal ist mein Kind sehr traurig, und nach 15 Monaten Coronakacke muss dem etwas entgegengesetzt werden. Und ich bin seit Monaten sehr angeschlagen, wobei jetzt eigentlich die äußeren Rahmenbedingungen so sind, dass ich eigentlich mal wieder in der Spur sein könnte, aber es braucht eine gewisse Zeit der Ruhe, im Hamsterrad zuhause wird mir das nicht gelingen. Also wachte ich letzten Sonntag auf und dachte: Ich muss mit Ona in Urlaub fahren. Nun bin ich ja gar keine Person, die in Urlaub fährt, üblicherweise fuhr ich beruflich weg und hängte ein paar Tage Sightseeing dran. Unsere Familienurlaube waren recht uniform, abwechselnd an die Costa Brava in ein Ferienhaus oder an die Nordsee in ein Strandhaus, immer mit dem Auto, mit dem Extrathrill, dass mein Auto in jedem Spanien-Urlaub in irgendeiner Form in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wobei mir einfiel: Doch, ich bin 2017 oder 2018 eine Strecke privat geflogen, weil ich ein Wildschwein gerammt hatte.
Nun hatte ich ja monatelang propagiert, dass Menschen nicht ins Ausland fahren sollen, also versprach ich dem Kind Sonntag, dass ich Urlaub buche und versuchte, kurzfristig etwas Ansprechendes in Deutschland zu finden. Hoffnungslos. Niederlande. Nein. Belgien. Nein. Dann überlegt, ob wir zu zweit an die Costa Brava fahren könnten, ich bin eh immer alleine gefahren, damit Herr H. 16 Stunden schlafen kann, aber irgendwie klang das nicht nach der dringend benötigten Erholung. Also öffnete ich meinen Horizont und fragte mich, ob ich wohl fliegen wollte. Vielleicht wollte ich fliegen. Das Kind sowieso. Es ist nämlich so, dass sowohl Ona als auch ich so Leute sind, die den ganzen Tag im Meer rumschwimmen. Ona sogar mit Freude in der Nordsee, ich – vielleicht auch, weil ich es als Kind auch nie erlebt hatte – finde ja so ein südliches Meer toll und schwimme da lieber drin rum, wenn ich ehrlich bin.
Also begann ich zu recherchieren, und ich muss an dieser Stelle abkürzen, ich habe nämlich 10 Stunden lang recherchiert, da ich ja keine Erfahrungswerte habe, und suchte erst nach Hotels, bis mir einfiel, dass ich keinen Mietwagen haben möchte (ich will mich ja ausruhen!) und deshalb auch keinen Pubertierenden-Großeinkauf an Basis-Kohlenhydraten und Wasser machen kann, dann wurde ich verzweifelt, da klar war, dass ich mir das nicht leisten werden kann (ich weiß nicht, ob Sie schon mal versucht haben, einen wachsenden 12Jährigen mit ermittelten Endmaß von über 2 Metern zu ernähren, das ist schon zuhause schwierig!), dann fiel mir ein, dass man doch in so Hotels All Inclusive machen kann, dann suchte ich in warmen Regionen nach ebensolchen Hotels, die direkt am Strand sind, da Ona ja 8 Stunden am Tag schnorchelt, dann fand ich eines, das toll aussah, dann las ich auf anderen Portalen die eigentlich guten Bewertungen, die oft erwähnten, dass alle All Inclusive Getränke schlecht seien und man daher Getränke hätte kaufen müssen, dann habe ich weiter gesucht, dann fiel mir der Transfer ein, den ich zwar sicherlich hingekriegt hätte, aber mein Plan war ja, mich einfach nur noch irgendwo fallen zu lassen, also suchte ich wieder neu mit All Inclusive und Transfer und direkt am Meer, und dann wurde ich fündig, trank auf den Schreck einen Schnaps und buchte.
Und seitdem bin ich sehr aufgeregt. Ich fliege in Urlaub. Mit 44 zum ersten Mal so richtig touristisch, und es wird hervorragend. Günstig war es nicht, da aber ja Pandemie ist, habe ich nur den halben Preis vom Normalkurs gezahlt, entsprechend ansprechend sieht das alles aus. Es geht nach Kos, und nein, ich möchte nichts über Flüchtende hören, und nichts über CO2, ich weiß das alles selber, aber ich mache das jetzt. Ich bin schon seit Wochen an einem Punkt angekommen, wo ich mich nicht mehr über andere Leute aufrege, Laschet, Lindner, Impfneider, Schwurbler, Narzissten, kann mir alles egal sein, jede*r möge machen, was gewünscht ist. Ich fliege mit dem Kind, das in 15 Monaten Pandemie inklusive Klassenwechsel ein Zeugnis mit 10 Einsern und einer Zwei im Sport nach Hause bringt, weil er sich so Sorgen gemacht hat, hinterherzuhängen und dessen größter Wunsch es ist, in einem echten Meer zu schnorcheln und so viel Eis und Gyros zu essen, wie er möchte, nach Kos. Und dann werde ich mich auf einer Liege fallenlassen und sieben Tage liegen und lesen. Ich habe einen Hut, zwei Strandkleider, Badeschuhe und -anzug, 20 Kilo weniger ich, eine Luftmatratze mit so einem gemütlichen Netz, da ich sehr gerne auch einfach im Meer schlafe, und die Absprache mit dem Kind, dass er mit halbem Impfschutz leider nur eigeschränkte Kontakte haben kann, das kam allerdings hervorragend an, mit 12 möchte man ausschließlich schnorcheln und essen, nichts anderes, und dann ruhen wir aus. Und danach geht es einfach weiter.
Ironischerweise ist es ja so, dass ich in den letzten 5 Monaten nicht zum Frauenarzt konnte, um einen zyklusbeendenden Eingriff vornehmen zu lassen, da die möglichen Tage alle 28 Scheißtage am Wochenende lagen. Das fand ich schon sehr schlimm. Viel schlimmer ist natürlich, dass dieser Monat offensichtlich der erste in der Reihe sein wird, in dem ich einfach mal später bin. Zum Beispiel Mittwoch. Bei Abflug. Ich fühle mich von meinem Körper verarscht, aber das ist ja schon länger so.