Heute wollte ich über Lady Di schreiben, ich bin ja gerne jemand, der, das sagt man jetzt immer so, vor der Welle ist, das wäre vorgestern gewesen, gestern war ihr Todestag, das wäre also in der Welle gewesen, und ich komme heute, das ist deutlich nach der Welle. Nun gut. Ich sollte natürlich auch noch die Geschichte mit der Autoanalogie erzählen, da sehe ich aber heute schwarz. Ich muss nämlich auch ein wenig feiern. In der aktuellen Situation gibt es viele Verlierer, keine Gewinner und ein paar, die mit einem blauen Auge davon kommen. Ausgenommen sind natürlich Lehrer. Kleiner Spaß. 2019 habe ich mich beruflich mal richtig was getraut, und da ich mich immer ganz gut auf mich selbst verlassen kann, fiel mir das eigentlich auch leicht. Sich was trauen ist ja eigentlich auch nur Statistik, und darin bin ich gut. Eine Pandemie hatte ich allerdings im Businessplan so nicht abgebildet, und da gerät man schnell auf rutschiges Eis. Nach vielen Monaten größter Resilienz (noch so ein neues Modewort), in denen der Kompagnon und ich gelernt haben, dass man nach „ich kann wirklich nicht mehr“ noch mindestens Luft für 4 Stunden hat, ist heute der Tag gekommen, auf den wir monatelang gehofft haben. Nicht immer optimistisch. Aber, wie sagte schon Nina Ruge immer: Alles wird gut. Eine Reihe von Parametern, die noch gut hätten werden müssen, damit es gut wird, sind nahezu zeitgleich alle an ihren Platz gefallen, und seit etwa 16 Uhr am heutigen Tag kann ich offiziell sagen: Alles wird gut. Interessante Beobachtung: Es gibt Menschen, die heulen dramatisch viel mehr, wenn alles gut geht, als wenn alles schlecht geht. Und um meine Euphorie direkt wieder zu dämpfen, habe ich in meinem virtuellen Büro sehr sehr angestoßen, dann Gemüse püriert für den Hund, leider aufgrund schlechter Mustererkennung WIEDER DIE SCHEISS WEISSE WAND OHNE LATEXFARBE DRAUF komplett in püriertes Gemüse getunkt, daraufhin Ona zum Training gefahren, reingefallen auf „ich geh noch mal eben rein, ich muss noch mal wo hin, gib mal den Schlüssel bitte“, mich dann über mich selber gefreut, dass ich ihm nicht den Autoschlüssel auch mitgegeben habe, sonst wäre der nämlich auch drinnen gewesen und wir draußen, dann wirklich sehr lange im Auto gesessen und gewartet, bis die Türe wieder auf war, und dann ging der Kofferraum nicht mehr zu. Bei so neumodischen Quatschautos ist das ja leider nix, was man einfach mal so schwungvoll mit der Hand macht, nein, es gibt eine Taste oder einen Knopf auf dem Schlüssel, beides funktioniert nicht mehr. Soviel dazu. (elegante Überleitung)
Das Auto, in dem Lady Di im Tunnel verunglückt ist, wird ja auch deutliche Einschränkungen in der Kofferraumfunktionalität gehabt haben. Gestern war sie 23 Jahre tot, und ich merkte, wie alt ich langsam werde, ich musste nämlich nachrechnen, ob ich da noch zuhause gewohnt habe. Hab ich nicht, ich lag dennoch in meinem Kinderzimmer im Bett, als meine Mutter morgens entsetzt die Tür aufriss und brüllte „Lady Di ist tot“. In unserer kleinen virtuellen Bürorunde wurde gestern diskutiert, wo man genau war, als Lady Di tot war, und jede Beteiligte konnte es noch genau sagen, inklusive der Informationsketten mit anderen Leuten. Ich erinnerte mich zudem noch an meine leichte Reaktanz, als Elton John, jetzt nicht zwingend meine Musikrichtung, ihr dann das einst für Marilyn Monroe geschriebene Lied umwidmete. Ich war mir damals nicht sicher, wie okay ich das fand, vermutlich nur mittel. Insgesamt war mir das alles ein wenig zu viel, zuviel Ansprache, zuviel heulen, zuviel Drama, alles in das eine Lied eingebaut, das ja sowieso eigentlich einer anderen Dame gehörte.
2001 wussten wir wieder alle, wo wir waren, das wurde gestern direkt mit abgeprüft. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals jemanden getroffen hätte, der nicht sehr genau wusste, wo er am 11. September war, mit wem, was er gerade tat. Ich saß in meiner kleinen Einzimmerwohnung und spielte Examensvorbereitung, natürlich mit Fernseh. Irgendwann schellte das Telefon, meine Sandkastenfreundin war dran, und dann starrten wir mit dem Telefon am Ohr schweigend stundenlang auf Peter Klöppel. 10 Tage später zeigte Sheryl Crow der Welt auf dem Tribute to Heroes Benefizkonzert, wie es richtig gemacht wird und sorgte mit ihrem Beitrag dafür, dass ich mich beim Gucken übergeben musste. Jetzt können Sie gerne das Lied schlecht finden, Sie können auch Sheryl Crow schlecht finden, ich bin weit entfernt von Fan, das steht hier alles ja gar nicht zur Diskussion. 10 Tage nach einem Anschlag dieser Kategorie, mit der Verstörung, der allgemeinen Angst, die alle hatten, diesem unbändigen Gefühl, dass nichts mehr so wird, wie es vorher war, mit den Tausenden von Toten, mit den unzähligen Rettungskräften, die ihr Leben gelassen haben, sich alleine in ein Studio mit Kerzen zu setzen und nur mit minimaler Klavierbegleitung das Lied zu spielen und dabei die Fassung zu bewahren, ist meines Erachtens eine nahezu übermenschliche Leistung. Wie gesagt, ich habe mich beim Gucken übergeben. Und der Effekt wirkt nach, das ist das einzige Lied, das mich so trifft, weil ich weiß, wie getroffen ich war, als ich es das erste Mal hörte. Mal gucken, ob Take Five das über die Jahre auch entwickelt, Candle in the Wind ist da jedenfalls weit von entfernt. Und nein, es ist nicht der unterschiedlichen Dramatik der Umstände geschuldet, glaube ich zumindest.
Soviel zu trauriger Musik. Aber heute ist ja ein anderer Tag. Heute wird alles gut, heute wird getanzt.
Safe and sound