Es geht noch immer um Handball, und wenn Sie keine Fotos von Gruselgesichtern mögen, sollten Sie dringend an dieser Stelle abbrechen.
Ich fasse kurz zusammen: Team spielte in der letzten Saison immer schlechter und schlechter, wollte dann trotzdem die Quali spielen, dennoch wurde rundum Ostern drei Wochen kein Training angeboten (wo letztes Jahr für die Qualispieler zwei Wochen lang täglich Training war), und dann entschieden vier Spieler, darunter Ona, dass man ja auch einfach woanders zum Trainingscamp gehen kann, zum Beispiel zum Erzfeind. Vier Tage in den Osterferien, und selten habe ich mein Kind so begeistert gesehen. In den letzten zwei Jahren hätte er nicht so viel gelernt wie an einem Tag dort, er blubberte jeden Abend wie ein Wasserfall (sehr ungewohnt, ich konnte mich auch nicht so schnell anpassen, wo es doch sonst seit 12 Jahren heißt: „Wie war’s?“ – „Gut.“ – „Was gab’s zu essen?“ – „Nudeln.“), erklärte mir stundenlang die Taktik hinter irgendwelchen Spielzügen, was in den letzten Monaten recht deutlich vernachlässigt worden war, und er bekam ein Wechselangebot. Für die zweite Mannschaft wohlgemerkt, aber auch die trainiert fünf Tage in der Woche, und das sah er nicht, noch viel weniger sah er aber, mit anderen Jungs als „seinen Jungs“ zusammenzuspielen, wie gesagt, für ihn ist das mehr soziale Veranstaltung als Leistungssport, und das finde ich auch sehr gut so (und die Kinder wie auch die Eltern sind wirklich durchgehend toll, ich würde die auch nicht missen wollen).
Nach den Sommerferien rief dann der Vereinschef eine Mutter, deren Kind gar nicht im feindlichen Camp war, an, um sich sehr deutlich dazu zu äußern, dass man da sehr empfindlich sei, was ich wiederum damit beantworten hätte, so mich denn jemand angerufen hätte, dass ich als Verein, der möchte, dass seine Mannschaften in der Oberliga spielen, für die man aber gar kein Training anbietet, doch froh sein würde, wenn die Kinder motiviert genug sind, um dann einfach irgendwo anders zu trainieren, statt gar nicht, ich sehe das ganz entspannt, man kann ja einfach besser organisiert sein und wieder zielführende Angebote machen, dann wären ja alle dabei. Egal. Das erst Qualiwochenende rückte näher, ich erkläre kurz den Modus, wie ausgespielt wird: Im ersten Teil müssen alle Mannschaften aus dem hiesigen Gebiet, Neuss, Düsseldorf, Erkrath, etc., sich auf vier Mannschaften eindampfen. Parallel läuft das in allen möglichen anderen Kreisen auch. Dann spielen also die besten vier des Turniers drei Wochen später gegen die besten vier aus dem Ruhrgebiet, die Punkte aus der ersten Runde nimmt man allerdings schon mit. Von den acht gehen dann die besten drei in die Oberliga. Die Theorie war ja: Man wird die erste Runde schon nicht überleben, so gesehen muss man sich da keinen Stress machen. Dann sagten von den 7 gemeldeten Düsseldorfer Mannschaften (es gibt natürlich mehr im Kreis, aber nicht alle wollen in der hohen Liga spielen, und der Angstgegner war auch nicht dabei da bereits gesetzt durch das Ergebnis der letzten Saison) erst zwei, dann Freitag noch die dritte ab, und schon hatten wir uns eigentlich schon für die nächste Runde qualifiziert, es mussten aber noch die Punkte ausgespielt werden. Und jetzt kommen wir in dieser Erzählung endlich wieder in der Relive-Phase an.
Der erste Spieltag Samstag wurde komplett gestrichen, Sonntag dann also die letzten vier Mannschaften untereinander. Als Gastgeber eröffnete Onas Mannschaft morgens mit dem ersten Spiel, und wie immer seit sieben Jahren, brauchten sie etwa 10 Minuten, um wach zu werden. Ich war streckenweise unzufrieden, man hätte haushoch gewinnen können, aber 11:8 nach 25 Minuten – es wird nur je eine Halbzeit gespielt – reichte für den ersten Überraschungssieg. Die Tribüne war insgesamt sehr überrascht, denn was die Jungs da machten, sah sehr gut aus, viel besser, als in den letzten Monaten, und nachdem sie im Kopf verstanden hatten, dass sie überlegen sind, spielten sie einfach runter. Ona musste den ersten 7-Meter werfen. Das ist genau sein Ding eigentlich, aber er macht es ungern, man wird es kennen, man möchte nicht derjenige sein, der verwirft. Er verwarf nicht. (Alle Fotos im Folgenden sind vom Spieler nicht ohne Stolz freigegeben, natürlich.)
Dann passierte im weiteren Verlauf noch das (Tore 2 bis 6):
Die Teamleistung war phänomenal, zumindest die letzten 15 Minuten, und das reichte ja dann, ich will jetzt nicht so romantisch klingen, aber wir haben so viel Elend gesehen im letzten Jahr, eine Mutter fuhr los, eine Flasche Sekt holen (nicht ich, ich fuhr nach dem 2. Spiel). Auf Feiern waren wir nicht eingestellt. Für das Team war das erste Spiel jedoch ein klares Signal: Wir haben das hier gewonnen, und zwar fast lässig. Jetzt wollen wir das nächste auch gewinnen. Wenn wir eh schon zur nächsten Runde fahren müssen, dann können wir es uns heute auch schön machen, das dicke Ende kommt ja noch.
Das zweite Spiel fand wegen des ungestrafften Zeitplans bereits 4,5 Stunden später statt, die Trainer hatten sich aber Dinge überlegt, die Jungs bei Laune und den Kopf beim Handball zu halten. Also liefen sie am frühen Nachmittag wieder auf, und dann passierte 25 Minuten lang das von oben, dieses Mal ab Minute 1.
Sie haben oben ja schon gesehen, dass Handball ein ganz besonders eleganter Sport ist, Gelassenheit in den Gesichtszügen ist im Angriff unerlässlich. An zwei Bildern möchte ich einmal kurz demonstrieren, wie verrückt so ein Handballtorhüter sein muss, dass er in solchen Situationen nicht einfach schreiend wegrennt. Hier läuft jeweils ein sehr großer und sehr wurfgewaltiger 14Jähriger einen Tempogegenstoß und springt dann Full Speed mit entschlossenem Gesicht einfach auf ihn zu, um dann mit über 90 km/h einen sehr harten Ball zu werfen. Ich denke, den Mut von Handballtorhütern können wir nicht überschätzen.
Und dann kamen noch insgesamt 4 7 Meter, aber gut, ich will Sie nicht langweilen, er hat alle getroffen. Das mit dem bösen Gesicht ist aber offensichtlich sein Move, ich sehe das ja sonst nie aus der Perspektive, ich war sehr überrascht.
Und dann fanden wir auf einem Bild noch eine Situation vor, die wir uns anschließend nicht gut erklären konnten. Offensichtlich hatte Ona den Ball vorm Wurf kurz auf dem Gegner abgelegt. Warum, war ihm entfallen, „er war im Tunnel“.
Ich weiß nicht, ob das bisher transportiert werden konnte, aber Ona hatte die drei Spiele seines Lebens. Ich weiß auch nicht, ob da noch mal irgendwann etwas Größeres kommt, aber das war auf jeden Fall der Höhepunkt der letzten sieben Jahre. Er hat insgesamt fast die Hälfte der Tore des Turniers für die Mannschaft geworfen, und die hat die letzten beiden Spiele jeweils haushoch gewonnen. Was noch großartiger ist, und das hat es so für ihn noch nicht gegeben und muss auch gar nicht noch mal kommen, wer weiß, aber das war schon unglaublich: Die Trefferquote betrug 100%. Jeder einzelne Torwurf war drin. Das funktioniert dann wie so ein sich selbst verstärkendes System, normalerweise wirft er gerne auch mal nicht, sondern guckt erst mal, ob jemand besser steht, aber nach dem 10. Treffer ging er einfach nur noch durch, jedes Mal mehr oder weniger ungebremst.
Oder er machte endlich mal das, was ich ihm als Lulatsch seit ewigen Zeiten sage, und warf einfach oben drüber.
Wir waren übrigens auch schon mal bei 50% Trefferquote. Und wir waren in der letzten Saison auch schon mal bei Gar-nicht-mehr-Werfen. Und um jetzt mal von dem ganzen Eislaufmuttiniveau wieder runter zu kommen, muss ich noch dazu erklären, dass es gar nicht Sinn des Spiels ist, dass alle Positionen Tore werfen, aber alle Positionen müssen dabei mithelfen, dass der Ball im richtigen Moment bei den Shootern landet, und auch da war die Leistung aller gestern absolut makellos. Im letzten Spiel warfen sie 20 Tore in 25 Minuten, die Gegner 5. Das geht nur, wenn jeder auf dem Feld weiß, was er tut.
Kluge Leute würden jetzt aufhören zu spielen. Dass einfach alle 7 voll da waren, haben wir lange nicht gesehen, vielleicht in der Form noch nie, aber dass zum Beispiel 6 Feldspieler gar nicht da waren, das haben wir im letzten Jahr oft genug gesehen. Unkluge Leute schlafen jetzt also drei Wochen ständig ganz beseelt ein und fahren dann zum 2. Teil der Quali, um da mal zu gucken, wo eigentlich der Hammer gehangen hätte, wenn man auch mal den Ball gekriegt hätte. Aber gut, das haben wir vor dem Wochenende ja auch erwartet, aber wir wissen jetzt: Unterschätzen Sie nie 14Jährige, wenn die so richtig sauergelaufen sind!
(So, ab morgen bin ich wieder normal. Aber ich denke, das war mein großer Eislaufmutti-Moment. An Muttertag.)
Ach so. Das beste Foto habe ich natürlich vergessen, denn es fasst die Sportart sehr schön zusammen. Nur im Angriff kann man so ein Spiel ja auch nicht gewinnen, und sein großer Abwehrmoment gestern war ein Block eines gegnerischen Wurfs, Ball gegen Unterarm. Und während wir in den 90ern sagten: „Wer nicht blutet, hat nicht gespielt“, heißt es 2023 also „blauer Fleck in Form der Nähte des Balls“. Er trägt ihn wie eine Trophäe.
Nachtrag:
Kind kommt vom Training, der frühere (und momentan aushelfende) Trainer und Abteilungschef ist extra gekommen, um der Mannschaft noch mal zu gratulieren. Dabei fiel der Satz: „Siehst du, Jonathan, was passiert, wenn du einfach mal all das, was wir dir seit sieben Jahren sagen, gleichzeitig machst?“
Ich hoffe er hat sie gehauen.
Nein, der *Trainer*, nicht das Team. Ona hat in seinem
Leben etwa 3.000 Mal gehört „DEN HÄTTEST DU SELBER WERFEN MÜSSEN“ 😉
Klasse👍🤩 tolle Bilder!
Ich seh da kein Grusel-, sondern ein hochkonzentriertes Gesicht!
Also wenn man als Mutter nicht mindestens einmal so eine tolle Abfassung schreiben darf, wer darf das dann überhaupt? 🙂 Herzlichen Glückwunsch ans Team!
Wun.der.schön!!!!