14.04.2025

Näh, waren wir alle aufgeregt wegen der OP am 24. und allem, was da dran hing. Und dann passierte das.

Heute war OP-Vorbereitungstag in der Klinik, was sich an sich schon recht falsch anfühlte, auch wenn es natürlich richtig ist, aber die haben mich bisher fünf mal operiert, da haben wir uns das ganze Klimbim ja auch sparen können. Aber gut, ich habe alles brav gemacht, Verwaltungszimmer, Narkosezimmer, Ultraschall, Blutabnahme, 1000 Formulare, und ganz am Ende das Gespräch mit dem Urologen. Ich kürze ab. Oder verlängere, mal gucken, wo es sich hinentwickelt.

Sie haben eventuell aus den Informationen gestern hier oder in den letzten Wochen auf Mastodon selbständig ableiten können, dass mein Fall einer ist, der sich so weit abseits der Norm bewegt, mit verschiedenen, sehr verkomplizierenden Faktoren unterschiedlichster Art – besonders kompliziert ist zum Beispiel mein „Situs“, also der Ort, der repariert werden muss, der nicht nur zerstört und nekrotisch ist, sondern vor allem eingebettet in eine Umgebung, die seit zwei Monaten nahezu durchgehend komplett entzündet ist und zudem konstant mit Urin umspült wird, das alles gibt einen sehr schlechten Situs, wie ich jetzt weiß – dass die anstehenden Operationen eher nichts sind, was die Operateure sehr häufig machen. Wenn überhaupt. Was mir also direkt zu Beginn des Gesprächs mitgeteilt wurde, lustigerweise von dem einzigen Assistenzarzt, der in den annähernd sechs Wochen dort und zig OPs nicht ein einziges Mal mit meinem Fall beschäftigt war, den zu finden, war bestimmt auch nicht einfach, jeder durfte da ja mal mit irgendwas assistieren, war, dass ein externer Spezialist hinzugezogen würde. Von den Spezialisten. Das war natürlich erst einmal gut, ich bin ja immer sehr für Spezialisierung, und the more, the merrier. Irgendwie entglitt das Gespräch ab dem Moment, als der Oberarzt dazu kam jedoch so, und das nun nicht von meiner Seite, dass das Ergebnis nach 10 Minuten war, dass ich mir bitte erst eine Zweitmeinung einholen solle, und wenn ich dann noch immer dort operiert werden wollte, solle ich zurückkommen.

Ich versuche noch einmal, abzukürzen. 20 Minuten saßen Herr H. und ich anschließend fassungslos und schockiert im Auto und warteten darauf, dass die Bildgebung auf CD gebrannt wird. Wir versuchten zu verstehen, was gerade passiert war, telefonierten mit Frau N., diskutierten weiter, und dann kam ich in so einen interessanten Strudel von Emotionen, ich weiß nicht, ob Sie das kennen, wenn Sie erst einmal eine Entscheidung treffen (die nämlich, dass ich mir einen neuen Operateur suchen müsse, der alte schien mir vorsichtig mitteilen zu wollen, dass ich nicht am richtigen Ort bin), und dann nach und nach in Scheibchen verstehen, wie es dazu kam, dass der Bauch das so entschieden hat, und dann sind Sie hoffentlich zufrieden mit der Entscheidung. Ich jedenfalls hatte im Laufe des Gesprächs das dumme Gefühl, dass auch in Monat 3 nach Ursache es immer noch keinen Plan gibt – Boari, Psoas Hitch, ja nein vielleicht, vielleicht muss man auch gar nichts davon machen, weil man einfach irgendwas anderes machen kann, wenn das aber auch nicht geht, dann doch ganz aufmachen und gucken, wenn wir mit dem Roboter nicht weiterkommen, eventuell bleibt der künstliche Ausgang, eventuell bleibt die Inkontinenz, eventuell dies, das, und ja, ich habe schon längst verstanden, dass ein Arzt nicht sagen kann, dass er etwas hinkriegt, vielleicht kriegt er es nämlich nicht hin, und dann steht er doof da. Dass man nach 5 Operationen und drei Monaten allerdings zwei Wochen vor der OP noch immer keine Vorstellung davon hat, was man machen könnte, erschien mir zumindest fragwürdig. Long story short: Ich hätte mich vielleicht immer noch operieren lassen, Stockholm Syndrom, die haben mir dreimal das Leben gerettet, warum nicht auch jetzt? Als der Arzt dann aber sagte, er würde nur operieren, wenn ich vorher eine Zweitmeinung eingeholt hätte, war das dann wohl erledigt.

Ich kann schlecht in Worte fassen, was ich seitdem fühle. Ich neige ja dazu, mich mit Fühlen nicht so aufzuhalten, das ist aber heute eine Ausnahmesituation. Auch unterhaltsam, allerdings. Nachdem ich nun mehrere Stunden das Gespräch immer und immer wieder mit Herrn H. und Frau N. rekonstruiert hatte, rief meine Hausärztin mich noch an und gratulierte mir dazu, dass der beteiligte Oberarzt so klug war, zu bewirken, dass ich mich nicht operieren lasse, ohne sagen zu müssen, dass er denkt, dass ich das lieber dort nicht machen sollte.

So gesehen alles auf Null jetzt. Immerhin ist der Termin in der Klinik mit dem Menschen, der Harnleiter aus Dünndärmen bauen kann, schon am 2. Mai. Und einen zweiten Termin muss ich morgen noch machen, in der Klinik, die einen Da-Vinci-Gott hat. Und dann sollen die das unter sich ausmachen. Zurück zu gehen in die bisher reparierende Klinik hat die Hausärztin verboten. Und das fiel auf fruchtbaren Boden. Was ich jetzt brauche, ist ein Mensch, der sich das alles anguckt und einen Plan hat. Und der sich zutraut, das auch hinzukriegen. I need a plan. Today, they had concepts of a plan.

Und den wirklich sehr naheliegenden Gag haben Sie zum Glück alle schon gemacht, aber einmal geht noch. Ist doch auch schön, wenn die Klinik *vor* der OP Bedenken anmeldet, ob sie das gut hinkriegt. Das ist in der zeitlichen Reihenfolge ja eigentlich genau richtig. Und ich leide jetzt seit 3 Monaten. Da kommt es auf drei weitere ja auch nicht mehr an.

16 Gedanken zu „14.04.2025“

  1. Meine Güte! Das macht mich wieder fassungslos. Warum haben so viele ärztliche Kollegen so ein Problem offen zu sagen, dass etwas ihre Fähigkeiten übersteigt. Wahrscheinlich wieder mal so eine Nummer, dass der Chefarzt (der oft sowieso keine große OP-Routine mehr hat) in völliger Selbstüberschätzung meint: Alles kein Problem! Während der Oberarzt mit meist deutlich mehr OP-Routine seine Bedenken hat, aber das so nicht sagen kann/darf. Also kommt so ein Mist raus, den man auch früher hätte klären können.
    Ich drücke die Daumen, dass Sie den richtigen Operateur bzw. das richtige Team (schnell!) finden.

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    • Exakt meine These. Der Chefarzt ist – Zitat Seelsorgerin – so eitel, der würde das unter allen Umständen probieren wollen. Der Oberarzt war eigentlich immer Team Herzbruch, vielleicht auch heute, ich hab es nur erst zeitversetzt verstanden. Der Chef wäre nicht begeistert gewesen, wenn er mir irgendwelche Bedenken anders kommuniziert hätte.
      Jetzt nur noch die Klinik ohne Operateure mit fragilem Ego finden. Das wird die Herausforderung sein.

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  2. Ach das ist doch so eine Sch….
    Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie das Team finden, das Ihnen das größtmögliche Maß an Lebensqualität zurück geben kann.
    Alle Daumen sind gedrückt.

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  3. Ungefragt ein möglicher Tipp:
    in der Paracelsus- Klinik Golzheim sitzt ein Dr. Samer Schakaki, seines Zeichens Urologe ,dessen großes Hobby „Da Vinci“ ist – weshalb er leider aus Kassel weggegangen ist.

    Herzliche Grüße von ebenda sendet
    Frau Paschmi

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    • +1 für: haben Sie überlegt, ob Ihre (hier öffentliche) Darstellung für den beratenden Oberarzt zu Problemen mit Chefarzt oder Geschäftsführung führen kann? Wäre das okay für Sie? Es hat auch um diese Themen Arbeitsgerichtsprozesse gegeben (die Spanne geht von OP-Verbot bis fristlose Kündigung). Ich bin mir sicher, dass die Unternehmenskommunikation von beiden Häusern mitliest.

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      • Ich habe für diverse Krankenhäuser gearbeitet, und wenn ausgerechnet die beiden UKs so fit sind, das über Mastodon zu finden, gönne ich es ihnen von Herzen. Und ja, ich denke vorab darüber nach, was ich öffentlich machen würde. Den Eisberg behalte ich für mich.

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        • Sie haben jetzt ja (sehr unfreiwillig) einen tieferen Einblick darein gewonnen, dass das Gesundheitssystem über weite Strecken v.a. von Personen mit intrinsischer Motivation zusammengehalten wird und was passiert, wenn die nicht da sind. Sie werden evtl noch viele Jahre urologische (und gynäkologische?) Verbündete brauchen. Wenn Sie von diesem Oberarzt etwas Gutes erfahren haben (hat mir einen Richtungsimpuls gegeben), kann es sich sehr lohnen, ihm eine persönliche Karte zu schreiben; für Sie, falls Sie ihn irgendwann noch einmal brauchen, aber v.a. für die, die nach Ihnen kommen. Nahezu alle dieser „intrinsisch Motivierten“ sind selbst moralisch verletzt durch die Zumutungen des Gesundheitssystems, und sie brauchen Gründe, zu bleiben.

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  4. OMG.
    Aber vielleicht auch das richtige Zeichen zur gerade noch richtigen Zeit.
    Vom Bundeswehrkrankenhaus in Berlin weiß ich, dass die in puncto Selbsterkenntnis der Ärzte, was sie können und was nicht und was vielleicht auch mal schiefgegangen ist und so auch formuliert werden sollte, ziemlich vorne dran sind.
    Aber ob die in Ihrem Fall auch kompent genug sind? Vielleicht mal nachhaken?

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  5. Ich wünsche Ihnen unbekannter Weise alles Gute und dass sie schnell ein Team finden, welches Ihnen kompetent helfen kann und so viel Lebensqualität wie möglich zurück geben kann.

    Viele Grüße
    Anna

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  6. das ist bestimmt die richtige entscheidung, die erste op woanders zu machen, sie wollen ja gut vorbereitet sein, um dann die mona lisa vom da vinci zu werden. ich drücke weiterhin alles und bewundere ihre ausdauer sehr.

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