Erkältet. Meine Güte, wie oft kann man denn erkältet sein? Immerhin kein Corona, keine Grippe, kein Scharlach, aber auch eine einfache Erkältung ist sehr anstrengend, seit Freitag liege ich schon wieder rum. Das liegt sicherlich auch am fortgeschrittenen Alter des Kindes, mit 13 schleppt man ja nicht mehr so viel mit nach Hause, die Nachbarin liegt etwa seit November im Bett, da das Kindergartenkind erst Corona, dann Grippe, dann Scharlach und dann wieder Corona anschleppte.
Eben dieses Kind ist derzeit auf Klassenfahrt, was meine Verpflichtungen noch etwas runterschraubt, ich darf (nach Rücksprache mit Kunden) also einfach auskurieren, und wenn man nicht krank genug ist, um einfach nur zu schlafen, aber auch nicht gesund genug ist, um irgendetwas Sinnvolles zu tun, dann kann man ja fernsehen. Also so rein zur Unterhaltung, verrückt.
Meine persönliche Fernsehunterhaltung ist ja thematisch sehr eingeschränkt: Presseclub, die schlimmen politischen Talkshows (zum Aufregen, so wie meine Mutter Frauentausch guckt) und die Tagesthemen. Das ist für mich Fernsehen. Dann gibt es noch „Chillen“, dann streame ich immer und immer wieder die gleichen Serien, vielleicht kommt ja irgendwann mal der Tag, an dem ich eine neue Serie entdecke, die ich dann immer und immer wieder streamen kann. Filme gucke ich auch: Herr der Ringe und Harry Potter. Das ist der Familienkonsens. Immer und immer wieder. Krank und ohne Kind wollte ich mal was Neues machen, und warum dann nicht einfach ganz oben in der Hierarchie des Grauens ansetzen: Ich guckte das Dschungelcamp. Dafür musste ich wieder einmal so ein RTL Abo abschließen, und das muss man dann ja auch ausreizen.
Also guckte ich am Freitag das Dschungelcamp 2023 komplett, und danach war ich vollkommen paralysiert, teils wegen der Erkältung, teils wegen der Begeisterung. Das letzte Mal habe ich 2008 geguckt, letztes Jahr mittendrin aus Versehen zwei Folgen, aber nein, man muss von vorne gucken, um langsam rein zu kommen, denn wenn man einmal drin ist… ich habe inzwischen 2023, 2011, 2012, 2013 und die erste Folge von 2015 geguckt. Ich habe so viele Fragen, über mich, über die Menschen insgesamt, und über die Grenzen des guten Geschmacks. Dazu möchte ich betonen: Bevor hier jetzt Leute kommen mit „kulturelle Verrohung“ oder so: Ich finde es phantastisch. Die offensichtliche Alternativlosigkeit irgendwelcher Leute, die denken, dass sie den ganz großen Durchbruch sofort schaffen, wenn sie einfach der ganzen Welt zeigen, wie dumm und unsympathisch und unfähig sie sind, um dann irgendeine fünfstellige Summe mitzunehmen (nichts gegen eine fünfstellig Summe, but.)
Peer Kusmagk hätte ich sofort geheiratet. Brigitte Nielsen ist halt echt ein Star, die ist auch mit Buschschweinpenis im Mund noch eine Grand Dame. Walter Freiwald ist inzwischen tot, dann soll man ja nix Böses mehr sagen, aber wow, so viel Realitätsferne und Selbstüberschätzung habe ich länger nicht erlebt, was für ein schlimmer Typ. Und „Teilnehmerin in Reality-Formaten“ ist jetzt ein Beruf. Das ist sehr schön zirkelschlüssig, wenn die Reality-Formate so tun, als gäbe es dort Stars. Und leider, leider habe ich den einen Job identifiziert, den ich noch lieber gemacht hätte als meinen: Autor fürs Dschungelcamp. Das muss der schönste Beruf der Welt sein, da bin ich durchaus neidisch.
Dschungelcamp ist soziologisch wohl interessant. Ich kann nicht viel darüber sagen, aber ich hätte lieber Formate wie Muppet Show, Columbo, Love Boat oder sogar den Blauen Bock für in die Jahre gekommene Stars. Wäre es nicht eine ähnliche Qual, wenn sie singen und tanzen und in Sketchen auftreten müssten?
Da wäre vielleicht das Problem, dass immer irgendjemand dabei wäre, der das dann gut macht, und der kann dann gut dastehen und gewinnen und alle lieben die Person. Die Aufgaben im Dschungel lassen wirklich nicht den geringsten Spielraum für Würde, und das macht es für mich so unterhaltsam. Schon allein der Spagat der nicht ganz so Hammerdollen, zu rechtfertigen, dass man da auch noch ein bisschen Spaß sucht zwischen Kakerlaken und Buschschweinvagina, naja, zusätzlich zum Geld, daraus machen ja die wenigsten einen Hehl.
Und den ganzen Berufs-Reality-Volltätowierten, die am Ende in die Kamera weinen, dass sie hier gelernt hätten, sich einer Herausforderung zu stellen, möchte ich zurufen: „Schulabschluss, die ultimative Challenge“.
hat nicht Micki Beisenherz vor einiger Zeit rausgelassen, dass er im Autorenteam des Dschungelcamps gewesen sei?
@ Hr. Kaltmamsell: schöner Einwand (Dauemen hoch emoji hier denken)
Errata: der „schöne Einwand“ bezog sich auf die ultimative Challenge und der war von Fr. Herzbruch. Sorry.
Ja, ist er von Beginn an. Ich will seinen Job 🥲
Vielleicht eine Nummer kleiner anfangen: als Autorin für die „Bauchbinden“ (und ja, den Job gibt’s tatsächlich und ja, dafür fliegt man mit dem Restteam ins Camp)
Meine Sicht auf das Dschungelcamp ist sehr tierorientiert.
Wie ist das für die Kakerlake, die desinfiziert und aus einem Zuchtbetreib über Trashvögel kriechen muss?
Und wie kommt man zu den vielen Penissen und Vaginas? Wo ist der Rest vom Tier?
Ich glaube, ich wäre die erste und letzte im Camp, die zumindest eine Lupe dabei hatte für all das Getier.
Die Menschen dort stehen schon an der Wand und man kann ihnen beim Verzweifeln zuschauen.
Schulabschluss wäre sicher eine bessere Alternative gewesen.
Lucas Cordalis hat übrigens Abitur.
Die Sicht ist absolut richtig, ich dachte, in der Vergangenheit hätte man zumindest irgendwann aufgehört, lebende Tiere zu essen, aber ich glaube, 2019 gab’s das noch.
Und gestern führte ich mit so einem Teenager noch die Diskussion, dass Abitur alleine nicht hilft, es ist nur der Schlüssel dazu, dass man danach in irgendwas ausgebildet wird. Hauptziel muss für alle Menschen sein: Im Wikipedia-Eintrag darf nie „Reality-Darsteller“ stehen!
Brot und Spiele. Es muss immer Gladiatoren geben für die Arenen dieser Welt.
Nur sollten es nicht die eigenen Kinder sein.