03.02.2022

Wir werden hier alle zusammen alt, wir erleben viele erste Male gemeinsam, und wir werden uns auch viel verzeihen müssen. Entsprechend fühle ich mich vollkommen legitimiert und auf der sicheren Seite, wenn ich sage, dass Franziska Giffey das jetzt aber wirklich mal viel besser gemacht hat. Schnell Mund mit Seife auswaschen.

Aber ist doch so. Ich möchte kurz einordnen, dass ich gerade eben Feierabend gemacht habe und noch nichts gelesen habe, vermutlich ist ja zu Nancy Faesers Kandidatur schon alles gesagt, aber eben nicht von jedem, ich hätte da auch noch eine Meinung zu.

Vorab sei gesagt: Ich finde es mindestens sehr sehr unelegant, und da strebe ich jetzt eher nach Eleganz als nach klarer Kante, wenn man Bundesministerin ist und sich anlasslos wegbewirbt. Und mit anlasslos meine ich: mitten in der Legislaturperiode, nicht kurz vor Arbeitslosigkeit. Nun gut, es ist ja vollkommen legitim, wenn man etwas nicht mehr machen möchte und was anderes anstrebt. Niemand hat da mehr Verständnis für als ich, Job- und Kooperationsleichen pflastern meinen Weg, wenn ich etwas nicht sehr dringend machen möchte, geh ich halt weg. Point taken. Der Punkt, der mich ärgert, und das mag ein unsachlicher sein, ist der: Ich möchte gerne, dass die Menschen, die unsere Bundesministerien leiten, das mit voller Inbrunst tun, und nicht, weil sie noch kurz überbrücken können, bis sie endlich weg sind.

Darüberhinaus habe ich zwei Wahlkämpfe näher miterlebt. Und ich sag’s mal so. Ich hoffe, dass Frau Faeser etwa so viele Doppelgängerinnen wie Herr Putin hat, sonst wird das wirklich eng, ich habe Wahlkampf als sehr zeitraubenden Job in Erinnerung, und ich habe manchmal das Gefühl, dass es auch im Bereich der inneren Sicherheit in diesem Land noch das ein oder andere zu tun gäbe.

Die öffentlichen Stellungnahmen von Frau Faeser zu dem Thema sind so schlecht, dass ich mich persönlich beleidigt fühle, weil ich gerne möchte, dass ich und mit mir die 80 Millionen anderen Leute in diesem Land, nicht so absurd veräppelt werden. „Meine Heimat ist Hessen, hier bin ich verwurzelt“, ja richtig, das verstehe ich, Tennisclub Bad Soden, der lockt (ich weiß nicht mal, wo sie herkommt, aber vielleicht habe ich ja Glück und es ist Bad Soden, so viel kenne ich außer Frankfurt ja auch gar nicht), und natürlich ist Bundesinnenministerin ein schöner Job, aber die Heimat ruft, das kennen wir ja aus den Rosamunde Pilcher Filmen, in denen immer die verlassen Frau aus London wieder in die Provinz zurückzieht.

Es ist alles sehr unelegant, ich sagte es schon, aber gut, es gibt kein besseres Wort, es ist ja nichts falsch, es ist nur alles so schlecht, sowohl die Aktion als auch die Umsetzung. Es ist in der politischen Kommunikation übrigens so: Man kann ja nicht aus Scheiße Gold machen, und wenn etwas doof ist, dann ist etwas doof, da hilft nix.

Aber jetzt stellen wir uns einfach mal folgende Situation vor: Ich bin Bundesministerin und möchte das eigentlich gar nicht sein. Entweder, weil ich davon ausgehen muss, dass der Job zeitlich begrenzt ist, weil demnächst Armin Laschet mit den Grünen regiert und dann für mich halt gar kein Platz mehr ist, oder, weil ich schlicht keine Lust mehr habe auf die Pendelei und das ganze Gedönst. Ich hätte sogar einen Landesposten in Aussicht, der auch sehr schön ist, auch gut dotiert sogar, aber ich möchte auch nicht mein Bundesministerinnenamt hinschmeißen, wie sieht das denn aus, aber was mache ich dann bloß?

Richtig. Ich suche mir einen Vorwand und trete zurück. So ein erschlichener Doktortitel zum Beispiel, damit kann man leider keine Gute-Kita-Gesetze mehr machen, aber für Berlin reicht’s, und zack, bin ich das doofe Amt los und kann mit voller Inbrunst Wahlkampf machen. Ach Mensch, wie schade, dass sich da jetzt für Frau Faeser nix ergeben hat. Noch nicht mal ausgelassen auf einem Video getanzt. Dann halt das Rosamunde Pilcher-Szenario. Und ich spreche jetzt mal nicht für die Nation da draußen, das haben wir ja intrapandemisch gesehen, dass nicht alle gut in Denken sind. Aber für mich kann ich sagen: Das offensichtlich nicht Vollgasgeben im Job, also nicht so, wie ich das erwarten würde, qualifiziert sie weder für das eine, noch für das andere Amt. Für mich.

12 Gedanken zu „03.02.2022“

  1. Wie so oft: pointiert und mir aus der Seele gesprochen. Danke dafür, Dinge elegant in Worte zu fassen, die mir einfach im Halse stecken bleiben.

  2. Mir fällt dazu der alte Spruch bei Verlobungen ein: sicherstellen und weitersuchen. Wenn es in Hessen nicht klappt (wovon ich ausgehe) bleibt immer noch Berlin!
    Ein schönes Wochenende!

  3. Und das nachdem sie sich mal mit den Rechten befassen wollte. Schade eigentlich.
    Naja, vielleicht kam die Einladung nach Hessen ja mit einem Foto von Lübke? Oder der Verfassungsschutz hat mal näher erläutert, wo man besser nicht hinguckt?

  4. es ist enttäuschend. Ich hatte tatsächlich die (naive?) Hoffnung, dass sie das Innenministerium entstoibert.
    Kann man schon eine Generaldebatte über die Frauen der SPD eröffnen?

    • Da bin ich noch nicht. Zumal es ja so ist: Gleichstellung im Job ist ja erst dann wirklich erreicht, wenn auch inkompetente weibliche Arschlöcher in Führungspositionen dürfen (ohne damit Frau Faeser zu meinen!)

  5. Als Berlinerin habe ich für Frau Faeser noch keine Empörung übrig, weil ich immer noch über Frau Giffey empört bin. Und ja, genau über die „Für Berlin reicht’s ja“-Haltung — die werde ich der SPD so schnell nicht verzeihen.

    „Regierende Bürgermeisterin“ klingt niedlich, aber wir reden auch hier immerhin über die Ministerpräsident:innenebene, nicht über jemanden, der in Soltau-Fallingbostel Autohäuser eröffnet.

  6. Politische Realität sieht aber nun mal anders aus. Da geht es nicht um romantische Gefühle „mit Herzblut“ Innenministerin zu bleiben, es geht um Machtfragen.
    In Hessen ganz konkret um einen Wechsel der Regierung und Frau Faeser hat – vermutlich – die größten Chancen, diesen zu erreichen.
    So ist natürlich auch zu sehen, dass der Kanzler nicht nur einverstanden ist, sondern die Kandidatur sogar begrüßt.
    Ich würde sie zwar auch gern weiter im jetzigen Amt sehen, weil ich finde, dass sie gute Arbeit leistet, aber akzeptiere die Gründe.

  7. Das Realitätsargument ist ungefähr so ein Argument wie „neener neener“, denn hier geht es ja selten darum, schönzureden, wie die Welt tatsächlich ist, sondern zu überlegen, wie es besser sein sollte. Praktische Anwendung ist kein Argument für Sinnhaftigkeit. Und bei Herzblut im Job geht es nicht um Kompetenz, sondern um Leistungsbereitschaft.
    Ihre Argumente finde ich nicht so relevant, aber wir kommen fast zum gleichen Ergebnis.

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