19.11.22

Diesen Post können Sie gerne so interpretieren, wie er gemeint ist: als Hilferuf.

Ich sitze mit einem Teenager auf der Couch und gucke fern, an diesem Punkt sollte schon klar sein, dass hier irgendwas im Busch ist, ohne Gäste habe ich im Jahr 2022 genau 0 Tage ferngesehen, Fernsehen interessiert mich nicht, meine Aufmerksamkeitsspanne reicht nicht aus, um mich länger als zwei Minuten mit Dingen zu beschäftigen, die mich nicht interessieren. Und meine Interessen sind, naja, abseitig.

Heute kam Herr H jedoch aus dem Supermarkt, dort hatte er wie jeden Samstag unseren Bekannten S. getroffen, und dann hat man stundenlang gequatscht, und am Ende kam dabei raus, dass S. heute mit seiner armen Familie Wetten dass guckt, und dann kam Herr H bestens gelaunt nach Hause, kochte ein wirklich sehr leckeres Essen und richtete es am Esstisch an. Dazu muss man wissen: Wir essen an der Theke, außer Weihnachten mit der Familie, dann essen wir am Tisch. Mit fünf oder mehr Leuten essen wir auch am Tisch, aber gut, außer uns ist ja niemand hier. Dann schaltete er den Fernseher ein, das letzte Mal passierte das im Juni (und nein, das ist kein manieriertes Getue, aber wir gucken in separaten Räumen auf eigenen Endgeräten: ich die BPK oder Lanz, Kind H irgendwas, wovon es oft auch gut ist, wenn ich es nicht weiß, jedenfalls nicht die BPK, und Herr H guckt auf seinem schlechten Mobiltelefon Fischdokus, fragen Sie nicht. Was allerdings quasi nicht passiert, ist, dass wir gemeinsam auf dem Sofa liegen und fernsehen, das ist nie, was wir machen. Es sei denn, wir werden gezwungen.

Herr H kochte also ganz hervorragend, dann lächelte er milde und sagte: „Und jetzt gucken wir bis 23.45 Uhr Wetten dass, ich hoffe, Tommy überzieht nicht“, und seitdem sitze ich auf dem Sofa und habe Fremdschämen. Neben mir sitzt nämlich so ein woker 13Jähriger, der glücklicherweise inzwischen auf ein anderes Endgerät guckt, aber alles, wirklich alles an Kritik und Unverständnis, das er in der letzten Stunde geäußert hat, trifft den Nagel auf den Kopf. 2022 geht Wetten dass nicht mehr, Tommy geht auch nicht mehr, wenn Oppa vom Krieg erzählt und dann so schlechte schlüpfrige Witze macht und sich dann ein bisschen übers Gendern lustig macht und dann kommt noch die unangenehm aufgekratzte Michelle Hunziker, naja, dann sitzt da so ein Teenager und fragt ganz ernst gemeint, was man daran denn gut findet und warum man da jetzt so begeistert drauf gewartet hat und wie es sein kann, dass wir das jetzt bis 23.45 Uhr gucken wollen, und die einzige Antwort, die einer einfällt, ist: „Wir hatten ja damals nur zwei Programme.“

3 Gedanken zu „19.11.22“

  1. Es waren früher ausschließlich die Wetten, die einzige Samstagabendsendung, bei der „normale“ Menschen etwas verrücktes tun und dafür bewundert werden konnten. Und der Live-Act am Ende, immer ein großer Star, den man in vor-MTV-Zeit und ohne Geld für Konzert Karten praktisch nie sehen konnte.
    Wobei, tatsächlich fand ich Wetten dass nur mit Elstner gut. Danach holten wir neue Salzstangen während der Interviews.

  2. Wir haben schon nach der Begrüßung weitergezappt. Es war nicht zu ertragen.
    Waren wenigstens die Wetten gut?

    • Woher soll ich das wissen 😂😂😂
      (Ich hab nur was mit Bagger und Ei kurz gesehen, und dann dachte ich „Ach, Bagger und Ei, ja stimmt, das ist immer, als nächstes kommt jemand und pustet Wärmflaschen auf, und dann erkennt jemand Buntstifte am Geschmack, ach was, ich geh ins Bett.“)

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